Norbert Schramm
Chronik des Vereins "Dresdner Kanarienzüchter 1880 und Exotenzüchter
Anlässlich des 130jährigen Bestehens meines Heimatvereins habe ich versucht, einen Querschnitt der langen Geschichte des Dresdner Vogelzüchtervereins zu Papier zu bringen. Die Sichtung des teilweise umfangreichen Materials machte eine Auswahl nicht einfach. Möge es trotzdem dem einen oder anderen eine Hilfe zur Erinnerung sein, an ein Stück Geschichte, dass viele Vereinsmitglied mitgeschrieben haben.
Weitere Infos finden Sie auf der Vereinshomepage:
https://dresdner-vogelfreunde.de
Broschüre
68 Seiten mit 35 Farbbildern und 42 schwarz-weiß-Bildern
Herausgeber: Norbert Schramm, erschienen 2010
Dieses Heft ist nicht im Buchhandel erhältlich!
Leseprobe
Bereits 1881 wurde die erste Ausstellung in den Sälen des Stadt-Waldschlösschens durchgeführt. Später fanden die jährlichen Ausstellungen in den Räumen von „Laubes Sälen am Altmarkt“ statt. Außer Kanarien wurden auch exotische Vögel, Literatur, Utensilien und Hilfsmittel zur Zucht sowie Futtermittel ausgestellt. Auch diese Produkte wurden prämiert!
1884 wurde ein weiterer Kanarienverein – „Canaria I“ – in Dresden gegründet. Die Berufsbezeichnungen, wie Metallschleifer, Cigarrenmacher, Holzbildhauer, Vogelhändler oder Zahnkünstler deuten auf Herren des Mittelstandes hin.
Zwischen beiden Vereinen Dresdens bestanden ernsthafte Differenzen, die teilweise öffentlich mit aller Schärfe ausgetragen wurden. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde der „1. Dresdner Kanarienzüchter-Verein“ in „1. Verein für Veredlung und Zucht des Kanarienvogels, sowie exotischer Vögel, gegründet 1880“ umbenannt.
Allein der Name weist auf die Schwerpunkte und Zielstellungen der. Züchter hin. Neben der Zucht der „Harzer Edelroller“ beschäftigten sich die Züchter mit der Haltung und Zucht exotischer Vögel, wie Wellensittich, Prachtfinken, fremdländischen Weichfressern und Sittichen. In jedem Jahr wurden die Leistungen der Bevölkerung in großen Schauen vorgestellt
Der 1862 in Sankt Andreasberg geborene Heinrich Seifert siedelt 1885 zu seinem Bruder Clemens Seifert (gest.1894) – dieser wohnte in der Wachsbleichstraße – nach Dresden in die Schlossstraße um. Clemens Seifert züchtete einen Gesangskanarienstamm, von dem noch, 14 Jahre nach seinem Tod, die Preisrichter in den höchsten Tönen schwärmten. Diesen „Seifertstamm“ – es waren die ersten wirklichen Edelroller – übernahm nach dem Tod Clemens Seifert sein Bruder Heinrich. Ihm gelang es jedoch nicht, die Gesangsleistungen der Vögel über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Trotzdem sind beide Gesangskanarienzüchter untrennbar mit der Dresdner Gesangskanarienzucht verbunden. Ob und in welchem Züchterverein sie Mitglied waren, ist leider nicht überliefert.
Unterschiedliche Auffassungen
Als an Jahren junger Vereinsfreund hatte ich – zusammen mit unserem Vereinsfreund GOTTFRIED FRANZ – die Aufgabe erhalten, die Gesangskanarien vom Ausstellungslokal in die weit entfernten Räumlichkeiten der Gesangsprämierung zu schaffen. Wir luden die Kästen mit den Kollektionen vom Fahrzeug ab und schafften sie in den Vorbereitungsraum.
Dann reisten die beiden Gesangspreisrichter an.
Ich wagte es kaum, die „Hohen Herren Preisrichter“ im weißen Kittel anzuschauen. Sie waren für mich so etwas wie Übermenschen. Diese erklärten mir noch einmal streng und im Detail, wie ich die Gesangsvögel vorzubereiten hätte, wann ich das Prämierungszimmer betreten darf usw., usw. Mit zittrigen Händen machte ich mich an die Arbeit und versuchte gewissenhaft alle Regeln einzuhalten.
Die erste Kollektion wurde zugetragen und schon bald hörten wir laute Stimmen aus dem Prämierungsraum, die sich schnell zu einem wüsten Geschimpfe und Geschrei steigerten. Stühle polterten, die Tür wurde aufgerissen und einer der Preisrichter stürzte mit hochrotem Kopf an mir vorbei.
Beide Preisrichter waren wohl sehr uneins in der Einschätzung der gesungenen Touren. Wie dieser Streit ausging, bekam ich nicht mehr mit, denn auch ich suchte das Weite.
Für mich brach in dem Moment eine Welt zusammen. Aber später kam ich zur Erkenntnis, dass Preisrichter auch nur Menschen sind.
Norbert Schramm
Es steht außer Frage, dass es bei so einem bunten Völkchen auch Erlebnisse in Erinnerung bleiben, die im Nachgang betrachtet, für Erheiterung sorgen.
Zum guten Tröpfchen
Es war allgemein bekannt, dass der Gesangspreisrichter K. K. erst in seinem abgeschirmten Kämmerlein tätig werden konnte, wenn ein Schnäpschen auf dem Tisch stand.
Aber auch Gesangspreisrichter haben zwei Beine. So kann es durchaus passieren, dass beide Schnäpschen in das gleiche Bein rutschten. Nun, das Gleichgewicht musste natürlich wieder hergestellt werden.
So kam es, dass unser Zuchtfreund Richard Lohse für eine seiner Gesangskollektionen erkleckliche Punkte erhielt. Das ist an sich ja sehr erfreulich, verwunderte jedoch sehr, da ein Weibchen die Kollektion vervollständigen musste, weil der vierte Hahn ausgefallen war. Aber auch dieses Weibchen „sang“ mehr als 80 Punkte.