6. Oktober 2024

BraunSatinet oder Satinmax?

veröffentlicht im “Der Vogelfreund” 7/2021

Geschichte des Satinet

Im Jahr 1966 trat bei dem Züchter Salvatore Calderón in Mendoza (Argentinien) eine Mutation in seinem Stamm roter Isabellvögel auf, die damals „Argent-inos“ genannt wurden. Es waren rotäugige Vögel einer „dunklen Linie“ und vererbten diese Eigenschaft rezessiv geschlechtsgebunden. Aus unbekannten Gründen gingen diese Vögel wieder verloren. Die Mutation trat dann später (1969) in den Niederlanden erneut auf. Nach Honorio Gimeno Pelegri soll die Satinet-Mutation jedoch in Belgien wiederaufgetaucht sein [4]. Wieder andere Autoren verlegten das erneute Erscheinen nach Frankreich [2].

Eigenschaften des Satinet

Die Vögel mit der Satinet-Mutation zeigen eine schmale und hellbraune (beige) Zeichnung auf einer melaninfreien Fläche. Der Name „Satinet“ wird mit dem glänzenden, glatten und sehr weichen Satin-Tuch in Verbindung gebracht. Offensichtlich hatten die ersten Satinet-Kanarien ein glänzendes und weiches Gefieder, Eigenschaften, die heute nicht mehr nur an die Satinet-Vögel gekoppelt sind.

Satinet Rotivoor intensiv
Satinet Rotivoor intensiv
Satinet Rotmosaik Typ 2
Satinet Rotmosaik Typ 2

Einkreuzung des Satinet in andere Farbreihen

Natürlich wurde diese neue Mutation in alle klassischen Melaninfarben (Schwarz, Braun, Achat und Isabell) eingekreuzt. Die Nachkommen aus diesen Kreuzungen waren recht unterschiedlich. So gab es Jungvögel, die eine deutliche hellbraune Zeichnung, eine melaninfreie Grundfarbe, ein beiges Untergefieder und rote Augen besaßen. Andere Vögel hatten fast keine Zeichnung, eine melaninfreie Grundfarbe, rote Augen, aber ein dunkelgraues Untergefieder. Wie kommt es zu diesen Unterschieden?

Wenn die Satinetvögel mit Schwarz- oder Achatvögeln verpaart werden, sind alle daraus fallenden Männchen spalterbig in Satinet. Wenn diese F1-Männchen wieder an Satinetvögel gepaart werden, können zu einem geringen Prozentsatz auch fast vollständig aufgehellte Vögel mit roten Augen fallen, die jedoch ein graues Untergefieder haben. Diese Vögel bekamen die unterschiedlichsten Namen, Schwarz-Satinet, Achat-Satinet, verdünnte Satinet (satinet diluted), aufgehellte Satinet, Satinet der hellen Linie.

Ähnliches gilt, wenn Satinetvögel mit Braun- oder Isabellvögeln verpaart werden. Dann sind alle daraus fallenden Männchen spalterbig in Satinet. Wenn diese F1-Männchen wieder an Satinetvögel gepaart werden, fallen daraus zu 50 % wieder „normale“ Satinetvögel mit roten Augen und einem beigen Untergefieder. Auch diese Vögel bekamen die unterschiedlichsten Namen, Braun-Satinet, Isabell-Satinet, klassische Satinet (classic satinet), Vollsatinet, Satinet der dunklen Linie.

Diese Zuchtergebnisse führten zu heftigen Diskussionen über die genetischen Ursachen. Die Diskussionen sind bis heute nicht vollständig abgeschlossen. Vor allem das Auftreten der „Braun Satinet“ oder „Satinmax“ regt Züchter zu immer neuen Vererbungstheorien an [5].

Die Genetik der klassischen Melaninkanarien

Erinnern wir uns noch einmal an die Entstehung und Vererbung der klassischen Melaninkanarien, ohne zu sehr in Details abzugleiten.

Die Gene der klassischen Melaninfarben liegen auf dem Z-Chromosom, sind an dieses Chromosom gekoppelt. Ein Gen auf dem Z-Chromosom bewirkt, mit Hilfe des Enzyms TRP-1, die Melaninsynthese bis hin zu Schwarz. Wir geben diesem Gen die Formel s+ (s = Synthese Melanin). Um einen schwarzen Kanarienvogel erzeugen zu können, muss aber noch ein zweites Gen auf dem Z-Chromosoms vorhanden sein, das die Dichte des abgelagerten Melanins steuert. Julius Henniger nannte es den Dichte-Faktor oder Verdünnungsfaktor. Wir geben ihm die Erbformel d+ (d = Dichte, diluted). Die komplette Erbformel für einen männlichen unverdünnten schwarzen Vogel lautet deshalb: Z(s+_d+); Z(s+_d+).

Wenn durch Mutation das Enzym TRP-1 ausfällt, erhalten wir den braunen Kanarienvogel mit der Erbformel „sb“. (sb = Synthese Braun). Bei unverdünnten Braunvögeln ist also nur der Melaninsynthese-Faktor verändert, der Dichtefaktor bleibt unverändert. Die Erbformel für einen männlichen unverdünnten braunen Vogel lautet deshalb: Z(sb_d+); Z(sb_d+).

Anders ist es bei den Achatvögeln. Bei ihnen bleibt der Synthesefaktor unverändert und nur der Dichtefaktor ist mutiert. Wir erhalten demzufolge den verdünnten Schwarzvogel (der „Achat“ genannt wird) mit der Erbformel Z(s+_dr); Z(s+_dr) für ein Achat-Männchen (dr = Dichte reduziert, reduced).

Der mutierte Dichtefaktor dr konnte auf die Braunvögel übertragen werden und es entstanden die verdünnten Braunvögel (die „Isabell“ genannt werden) mit der Erbformel Z(sb_dr); Z(sb_dr) für ein Isabell-Männchen. Der Dichte-Faktor wirkt also gleichartig auf alle Melaninarten und Melaninfarben, die vorhanden sind!

Vergleiche verschieder Vöge
V.l.n.r.: Braun Rot intensiv spalt Satinet; Braun Rotmosaik spalt Satinet; Satinmax Rotmosaik Typ 2; Satinmax rezessivweiß

Die Satinet-Kanarien

Wir wissen heute, dass die Satinet-Eigenschaft eine weitere Mutation des Dichte-Gens ist. Das Gen „d“ ist noch einmal mutiert und wird mit „dsa“ bezeichnet (dsa = Dichte Satinet). Diese „Satinet-Verdünnung“ hat die gleiche Wirkungsrichtung wie die „normale“ Verdünnung, wirkt sich aber sehr viel stärker aus. Es blockiert die Produktion von Phäomelanin (daher die melaninfreie Grundfarbe), es reduziert und verzögert sehr stark die Produktion von schwarzem Eumelanin (daher keine schwarze oder graue Zeichnung) und es reduziert die Produktion von braunem Eumelanin (daher die hellbraune Zeichnung).

Die Satinet-Eigenschaft vererbt geschlechtsgebunden und unvollständig rezessiv gegenüber unverdünnt (d+) und verdünnt (dr). Es besteht deshalb eine multiple Allelreihe: d+ → dr → dsa. Unvollständig rezessiv deshalb, weil man den in Satinet spalterbigen Männchen ihre Spalterbigkeit ansieht: sie haben eine etwas hellere Melaninzeichnung und weniger Flächenmelanin. Es gibt einige Kanarienvögel in Achat/satinet, die scheinbar Isabell-Kanarienvögel sind, und nur das geschulte Auge kann sie unterscheiden. Derzeit gibt aber auch Schwarze und Braune, die den Satinet-Faktor tragen und keinen Unterschied zu den Reinerbigen zeigen; viele andere hingegen, die ebenfalls Satinet tragen, sind schon aus der Ferne zu unterscheiden [5].

Die möglichen Erbformeln in Verbindung von Satinet mit klassischen Melaninvögeln sind:
In der Schwarz-Achat-Reihe:

In der Braun-Isabell-Reihe:

Es kann also keine Achat-Satinet und Isabell-Satinet geben. Die Vögel können nur Achat oder Isabell oder Satinet sein! Allerdings gibt es Schwarz-Satinet und Braun-Satinet.

Die SchwarzSatinet haben keine Melaninzeichnung aber hellrote Augen und ein graues Untergefieder. Manchmal lässt sich noch eine „Geisterzeichnung“ erkennen, die durch Pigmentreste hervorgerufen wird [3]. Aus eigenen Erfahrungen musste ich feststellen, dass diese Vögel nur eine geringe Lebenserwartung haben.

Die BraunSatinet haben eine deutliche hellbraune bis beige Zeichnung, die wie beim Achatvogel, durch zahlreiche, schmale, kurze und unterbrochene Striche besteht. Ein Flächenmelanin ist im Idealfall visuell nicht erkennbar. Für diese Satinet-Vögel (exakter BraunSatinet) wurde der gegenwärtige internationale Standard verfasst, so dass ich auf diesen und den DKB-Farbenkanarien-Standard verweise.

Der Satinmax

Seit mehr als 10 Jahren wird vor allem in Italien, Spanien und Frankreich versucht, die Satinetvögel auf ein anderes Niveau zu heben. Dazu werden klassische Melaninkanarien verwendet, die deutlich mehr Melanin besitzen als die „normalen“ Klassischen. Für diese Vögel mit ihrer deutlich breiteren Zeichnung, die sich auch auf der Brust und Bauch ausdehnt, werden die beiden Begriffe „Polymelanin“ (von griechisch polys = viel, mehrere) oder „Hypermelanin“ (von griechisch hyper = über) verwendet.

Durch die Verpaarung von „normalen“ Satinetvögel mit klassischen Braunvögeln, die Poly-/Hypermelanin besitzen, entstehen – entsprechende begleitende Selektion vorausgesetzt – vollkommen anders aussehende Satinetvögel. Sie werden derzeit oft noch als „BraunSatinet“ bezeichnet. Wie weiter oben bereits ausgeführt, gibt es die Braun-Satinet schon seit dem Auftauchen der Satinet-Mutation. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird jedoch diese genetisch richtige Bezeichnung fälschlicherweise zu „Satinet“ verkürzt. Die Bezeichnung Braun-Satinet für zwei sehr unterschiedliche Phänotypen sorgt für weitere Verwirrung. Deshalb nennt man heute die Satinetvögel mit Polymelanin SATINMAX.

Die Gene auf dem Z-Chromosom haben sich beim Satinmax nicht verändert. Allerdings wirken auch bei diesen Vögeln das/die Gen(e) der Poly-/Hypermelanisation. Die Polymelanin-Eigenschaft vererbt frei vom Geschlecht (autosomal) und unvollständig rezessiv gegenüber „normalen“ Melaninvögeln (Nicht-Polymelanin po+). Satinmax-Vögel haben demzufolge die Erbformeln:

In Frankreich ist der Satinmax bereits seit 2020 national anerkannt und in Italien steht die nationale Anerkennung kurz bevor. Auch Anträge an die C.O.M. zur internationalen Anerkennung wurden bereits gestellt.

Vorläufige Standardbeschreibung

Der vorläufige französische Standard für den Satinmax lautet (frei übersetzt): [6]

Unter dem provisorischen Namen „Satinmax“ beschreiben wir einen Satinet-Kanarienvogel mit einer langen und breiten Zeichnung. Sie unterscheidet sich phänotypisch deutlich vom „Satinet“, wie er in nationalen und internationalen Standards anerkannt ist. Der „Satinmax“ ist also ein neuer Vogel mit eigenen Besonderheiten.

Satinmax
Satinmax Rotmosaik Typ 2

Die Melanisierung muss maximal sein, wodurch dunkelbraune Streifen (ohne schwärzliche Reflexe) entstehen. Die Zwischenräume sollten frei von Melanin sein und das reine Lipochrom zeigen.

Es darf keine Depigmentierung an den Federspitzen vorhanden sein.

Das Melanin nimmt die Federmitte ein und ergibt so eine durchgehende, nicht unterbrochene und parallel verlaufende Streifenzeichnung auf dem Rücken. Diese Streifen müssen gut ausgerichtet und deutlich sichtbar sein und sich gleichzeitig scharf von den Zwischenstreifen abheben (die Grenze zwischen Streifen und Zwischenstreifen muss scharf und deutlich sein, ohne dass Melanin in die Zwischenstreifen eindringt). Das ideale Verhältnis Streifen / Zwischenstreifen ist 60 / 40. Bei den Intensiven sind die Streifen etwas weniger breit. Diese Streifen finden sich auch sehr deutlich an den Seiten und müssen zur Brust hin zunehmen, sie haben dann den gleichen Farbton wie auf dem Rücken.

Die Streifen müssen auch auf dem Kopf sichtbar sein.

Die Schwung- und Schwanzfedern besitzen den gleichen Farbton wie die Rückenzeichnung. Das braune Melanin muss bis zur Spitze der Schwung- und Schwanzfedern reichen.

Der Schnabel, die Beine und Krallen sind einfarbig und fleischfarben.

Die Augen sind deutlich rot.

Beim Satinmax empfiehlt es sich, Vögel mit abgegrenzter Zeichnung zu bevorzugen und zu fördern.

Quellen

[1] Glémet, Jean-Paul: L’hypermelanisation chez le Satine donne naissance au SATINMAX. Unter: https://www.facebook.com

[2] Louis, Jose: Experiencias con el Satiné. Unter: https://extremadurafederaciondeaves.wordpress.com/experiencias-con-el-satine/ [abgerufen 03.05.2021]

[3] Onsman, Inte: Albinisme bij Kanaries. Unter: http://www.mutavi.info/ned/albino.htm

[4] Pelegri, Gimeno: La Magia del Color. H. G. Ediciones Manuel Girona, 2001.

[5] Vitti, Pepano: Bruno Satiné. Italia Ornitologica, Februar 2021.

[6] Standards et Critères de Jugements, Canaris Couleurs, Nouvelle Version 2021. Unter: http://www.cnjf.org/cr/couleurs/BRUN%20SATINE%20standard%20CNJF%202020.pdf

Rodriguez, Ricardo: El canario Bruno Satiné – La illusión de un criator. In: Nuestros Pájaros. 2013 Nr. 21.

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