6. Oktober 2024
Stieglitz-Dompfaff

Cardueliden und deren Mischlinge

veröffentlicht im „Der Vogelfreund“ 06/2014

Anmerkungen des Autors:
Vier Jahre nach Veröffentlichung dieses Artikels wurde am 07. Oktober 2018 der Antrag des LV 30 (Sächsischer Kanarien- und Vogelzüchter-Verband e.V. – SKV) zur Neubenennung der Mischlinge mit 20 zu 4 Stimmen angenommen.

Heute (2023), weitere fünf Jahre später, muss festgestellt werden, dass dieser Beschluss nicht vollständig umgesetzt wird, wie in den Katalogen der DKB-Meisterschaften unschwer festgestellt werden kann!

Weiterhin wurde ein Antrag angenommen, den Punkt 4 des „Grundsatzpapier Mischlinge“ zu streichen. Dieser lautete:
Die Erzielung fertiler (= fruchtbarer) Mischlinge ist aus Gründen möglicher Artenfälschung abzulehnen.
Begründung: die Hereinnahme weiterer Farbeigenschaften, die bei Cardueliden auftreten, würde nicht mehr möglich sein. Mutationen bei Kanarien – wie der Rotfaktor, Mosaik, Jaspe – wären mit dem Festhalten an dieser Regel nicht möglich geworden.

Die Zucht – und vor allem die Haltung – von einheimischen Vögeln hat eine wesentlich längere Geschichte als die Kanarienzucht. Wurden früher die wildlebenden Vögel meist selbst gefangen und in menschliche Obhut genommen, sind wir heute ausschließlich auf die Zucht einheimischer und fremdländischer Vögel angewiesen. Mit der Verbreitung der Kanarienvögel wurden diese zusammen mit den einheimischen Vögeln in Käfigen und Volieren gehalten. Recht schnell stellte sich heraus, das einzelne Finkenmännchen sich mit Kanarienweibchen verpaarten und lebende Mischlinge hervorbrachten. Diese waren oft recht farbenfroh und die Männchen hatten einen ansprechenden Gesang, der oftmals als schöner empfunden wurde, als der Gesang beider Ausgangsarten.

Blendling, Mischling, Bastard, Hybrid

Im täglichen Sprachgebrauch sprechen wir heute immer noch von „Mischlingen“. Der Wortbedeutung nach sind dies Nachkommen aus der Verpaarung eines „Finken“ mit einem Kanarienvogel oder von zwei Finken unterschiedlicher Arten. Da die Nachkommen die äußeren Merkmale beider Ausgangsarten in sich vereinen, also eine Mischung eingehen, ist der Begriff „Mischling“ eine zwangsläufige deutsche Bezeichnung.

Hin und wieder wird für diese Nachkommen auch der Begriff „Bastard“ verwendet. Ursprünglich war es die Bezeichnung für ein uneheliches Kind, was ja im weit übertragenen Sinn auch für die beiden unterschiedlichen Vogeleltern gelten kann.

Charles Darwin
Charles Darwin auf einem Aquarell von George Richmond (1809–1896) aus dem Jahr 1840.

Der heute oft verwendete Begriff „Hybrid“ hat seinen Ursprung im lateinischen „hybrida“, worunter ein Bastard, Mischling oder Frevelkind verstanden wird. Vor allem in der Pflanzenzucht hat die Bezeichnung „Hybrid“ für einen Nachkommen aus der Kreuzung von zwei verschiedenen Pflanzenarten oder Pflanzensorten die größte Verbreitung gefunden.

CHARLES DARWIN unterschied in seinem Werk „Über die Entstehung der Arten“ (Originaltitel: On the Origin of Species) von 1859 zwischen Blendlingen (engl. mongrel) und Bastarde (engl. hybrid).

Blendlinge waren nach seiner Auffassung die in der Regel fruchtbaren Nachkommen von Eltern unterschiedlicher Varietäten oder Sorten einer Art (z. B. rot- und weißblühende Erbsen).

Unter Bastarde verstand er die meist unfruchtbaren Nachkommen von Eltern unterschiedlicher Arten.

Darwins Unterscheidung wird heute nicht mehr aufrecht gehalten. So werden z. B. in der industriellen Tier- und Pflanzenzucht zwei Zuchtlinien einer Rasse/Sorte verpaart, um bestimmte Eigenschaften herauszubilden. Obwohl die Nachkommen uneingeschränkt fruchtbar sind, wird hier von einer Hybridzucht gesprochen.

Nomenklatur der Arten

Carl von Linné
Carl von Linné im Jahr 1739. Bildnis von Johan Henrik Scheffel (1690–1781).

Wir Menschen neigen dazu unsere Umwelt zu klassifizieren und in eine überschaubare Systematik einzuordnen. Für den Bereich der Biologie hat 1735 der Naturforscher CARL VON LINNÉ (1707 bis 1758) eine erste, wissenschaftlich fundierte, Systematik erstellt und die „binäre Nomenklatur“ eingeführt, die in ihren Grundzügen heute noch Gültigkeit haben.

Wie wir wissen, besteht der wissenschaftliche Artname aus zwei Worten (deshalb „binär“ oder „Binomen“). Das erste Wort bezeichnet die Gattung (genus name), in welche die Art eingeordnet wird, das zweite Wort ist der spezifische Name einer Art (specific name).

Beide Wörter bilden den Artnamen (name of the species). Der Stieglitz wird wissenschaftlich demnach Carduelis carduelis genannt.

Wenn Unterarten beschrieben werden, wird ein weiteres Wort angefügt, so dass der (Unter)Artname dreigeteilt ist und somit ein „Trinomen“ darstellt. Der Majorstieglitz nennt sich demnach Carduelis carduelis major oder auch abgekürzt Carduelis c. major.

Taxonomie und Systematik der Arten

Bereits in der Antike wurde versucht, die bekannten Lebewesen in Systeme einzuordnen. So wurden Pflanzen nach der Wuchsform (Kraut, Staude, Strauch, Baum) oder Tiere nach der Lebensweise (Nutztier, Wildtier, Wassertier usw.) eingeteilt.

Indigofink (Passerina cyanea)
Papstfink (Passerina ciris)

Solch grobe Einteilungen finden wir noch heute im allgemeinen Sprachgebrauch. Die landläufige Vorstellung einer Finkenform führte wohl dazu, dass viele Vögel, die diese Gestalt haben, von uns als „Fink“ bezeichnet wurden. So kam es wohl auch, dass die südamerikanischen „Farbenfinken“, wie der Indigofink (Passerina cyanea) oder der Papstfink (Passerina ciris), oft zu Paarungsversuchen mit Kanarien eingeführt wurden. Ziel der Züchter war es, die blaue Gefiederfärbung dieser Arten auf den Kanarienvogel zu übertragen. 

Kapuzenzeisig
Kapuzenzeisig (Spinus cucullatus)

Mit dem rot-schwarzen südamerikanischen Kapuzenzeisig (Spinus cucullatus) war es schließlich auch gelungen, sein Rot in die Kanarien zu übertragen. Die Versuche mit den Farbenfinken sind allesamt fehlgeschlagen, weil diese „Finken“ zur Familie der Kardinäle (Cardinalidae) gehören und trotz der typischen Finkenform mit den Cardueliden nicht nahe genug verwandt sind. 

Ähnliches gilt für die Prachtfinken (Estrildidae). Auch diese „Finken“Familie ist mit den Cardueliden nicht näher verwandt.

Der aufmerksame Vogelbeobachter wird feststellen, dass unser Buchfink (Fringilla coelebs) die Insektennahrung für seinen Nachwuchs immer im Schnabel zum Nest trägt. Bei einem Grünfinken (Chloris chloris) wird man das nicht beobachten, da er seinen Kropf zum Nahrungstransport verwendet.

Obwohl beide Arten als „Fink“ bezeichnet werden – und die Körperform beider Vogelarten sich stark ähnelt – gehören der Buchfink zu den Fringilliden, der Grünfink oder Grünling zu den Cardueliden. Solche Beobachtungen sind in die Systematik der Arten einiger Wissenschaftler eingeflossen.

Buchfink, Männchen
Buchfink (Fringilla coelebs), Männchen
Grünfink
Grünfink (Chloris chloris)

Das Ziel jeder Systematik ist, die Evolution einer Art im Laufe der Jahrmillionen und ihre Verwandtschaft mit anderen Arten widerspiegeln zu lassen. Die hierarchische Klassifikation in Klassen, Unterklassen, Gattungen, Untergattungen, Arten, Unterarten wird als Taxonomie bezeichnet.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Systematik zu erstellen. Unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen, unterschiedliche Auffassungen, persönliche Vorlieben der Systematiker und auch Moden führen zu einer sehr unterschiedlichen Artenanzahl.

Früher wurde eine Klassifizierung hauptsächlich anhand von Gefiedermerkmalen, Größe und andere anatomische Merkmale, Lautäußerungen oder Brutablauf vorgenommen. Um den Verwandtschaftsgrad feststellen zu können, sind auch die Erfahrungen der Vogelzüchter eingeflossen. Ihre Paarungsversuche unterschiedlicher Arten und die versuchte Weiterzucht dieser Mischlinge hat viel zum Verständnis der evolutionären Verwandtschaft beigetragen. Es ist eine Tatsache, dass die Fruchtbarkeit der Nachkommen von Eltern, die unterschiedlichen Arten oder gar Gattungen angehören, abhängig ist vom Verwandtschaftsgrad der Arten bzw. Gattungen.

Heute fließen in hohem Maße evolutionäre, genetische, biochemische und anatomische Erkenntnisse in die Betrachtungen ein. Das gilt ganz besonders für die DNA-Analysen, die erst in den letzten Jahren verbreitet Anwendung finden. Je nach der Herangehensweise erheben einige Wissenschaftler möglichst jede unterscheidbare Form in den Artrang (Splitters), andere fassen möglichst viele Populationen zusammen (Lumpers) und unterscheiden dann lieber zahlreiche Lokalrassen. So bleibt es nicht aus, dass nach neu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen sich auch die Systematik einer Art im Detail verändern kann.

Edmund Wolters
Edmund Wolters. Quelle: Franz Robiller. Das große Lexikon der Vogelpflege.

In der Vogelzucht wird auch heute noch das System nach Dr. HANS EDMUND WOLTERS (1915 bis 1991) verwendet. Allerdings sind seine Werke nur noch in Bibliotheken zu bekommen. Es ist davon auszugehen, dass seine 20 bis 40 Jahre alten Werke nicht mehr in allen Fragen Stand der neuesten Wissenschaft sind.

So betrachtet Hans Edmund Wolters die Stieglitzartigen als eigenständige Familie Carduelidae, für andere Taxonomen sind die Stieglitzartigen eine Unterfamilie (Carduelinae) in der Familie Finken (Fringillidae).

Diese unterschiedlichen Expertenmeinungen zu Familien oder Unterfamilien tangieren uns als Vogelzüchter nur wenig. Anders sieht es hingegen aus, wenn Arten in andere Gattungen „verschoben“ werden oder Unterarten zu Arten oder Arten zu Unterarten umgewidmet werden.

So wird z. B. der Zitronengirlitz (Serinus citrinella) heute als Zitronenzeisig (Carduelis citrinella) geführt, da er näher mit dem Stieglitz verwandt ist, als mit den Girlitzen.[1] Auch der bisher als Unterart des Zitronenzeisigs geltende Korsikazeisig (Carduelis citrinella corsicana) wird heute als eigenständige Art geführt (Carduelis corsicana). Er soll sich in der Stimmlage[2] und in der Morphologie unterscheiden, wie die Untersuchungen der mitochondrialen DNA durch George Sangster[3] im Jahr 2000 ergaben.

Nach Wolters werden die Girlitze in mindestens sieben Gattungen eingeteilt (Serinus, Dendrospiza, Ochrospiza, Crithagra, Serinops, Pseudochloroptila, Alario). Nach anderen Taxonomen gibt es nur zwei Gattungen (Serinus, Crithagra). Nach wiederum anderen Systematikern – den „Lumbers“ – gehören alle Zeisige, Grünfinken, Birkenzeisige, Hänflinge und Stieglitze zu einer Gattung „Carduelis“; und alle Girlitze werden in der Gattung Serinus zusammengefasst. Letztere Systematik wird auch in der COM verwendet.

In neueren Abhandlungen über die Systematik und Nomenklatur der Vögel wird oft auf die Liste der gegenwärtig gültigen wissenschaftlichen Vogelnamen (Zoological Nomenclature Resource – Zoonomen) Bezug genommen.[4], [5] Diesen Systematiken liegen die Arbeiten der Verfasser CHARLES GALD SIBLEY (1917 bis 1998), BURT LEAVELLE MONROE JR.[6] oder RICHARD HOWARD und ALICK MOORE[7] zugrunde und sind heute im Internet abrufbar. Auf ihre Arbeiten beziehen sich viele Abhandlungen im Internet über die Vögel.

Burt Leavelle Monroe jr.
Charles G. Sibley

Besonders hervorzuheben ist die Arbeit der „International Ornithologists’ Union“ – früher „International Ornithological Committee“ (IOC). Ziel dieser Organisation ist es, die weltweite Kommunikation in der Ornithologie zu ermöglichen und Änderungen oder Korrekturen der Nomenklatur oder der Klassifizierung zu veröffentlichen. In der daraus resultierenden Liste aller Vogelarten der Welt, werden die neuesten Erkenntnisse als Bemerkung angefügt. Diese Liste wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet und im Internet veröffentlicht. Im Bereich der Fringilliden/Cardueliden stimmen die Gattungszugehörigkeiten der Arten auf beiden Listen (Zoonomen und IOC) weitgehend überein.

Systematik und Schauklassen der Cardueliden und Mischlinge im DKB

Wenn wir als DKB nicht als rückschrittlich gelten wollen, weil wir neueste wissenschaftliche Erkenntnisse negieren, muss die Schauklasseneinteilung der Cardueliden angepasst werden. Wenn wir uns nach der IOC-Liste richten, gibt es bei allen Zeisigen (Spinus), Dompfaffen (Pyrrhula), Grünfinken (Chloris), Hänflinge (Linaria), Birkenzeisige (Acanthis), Stieglitze (Carduelis), Kreuzschnäbel (Loxia) und einigen anderen Arten keine Veränderungen in der Gattungszugehörigkeit.

Hausgimpel
Hausgimpel (Haemorhous [Erythrina] mexicanus)

Anders sieht es z. B. bei den Girlitzen und den Karmingimpeln aus. Hier sind durch die Taxanomen teilweise erhebliche Veränderungen in den Gattungszugehörigkeiten der Arten vorgenommen worden. Als DKB haben wir nun die Möglichkeiten auf „altbewährtes“ zu verharren oder uns den heutigen, allgemein verbreiteten – und im Internet nachlesbaren – Erkenntnisstand zu eigen zu machen.

Nach den neuen Systematiken wären somit (fast) alle Verpaarungen von unterschiedlichen Girlitzarten nicht mehr möglich.

Nach der bisherigen Regelung kann ein Mosambikgirlitz (bisher Ochrospiza mozambica) mit einem Schwefelgirlitz (Crithagra sulphurata) verpaart und die Mischlinge ausgestellt werden, da die Mischlingseltern unterschiedlichen Gattungen angehören und in unterschiedlichen Cardueliden-Schauklassen eingeordnet sind. Nach den neuen Systematiken gehören beide Arten jedoch zur Gattung Crithagra. Sie dürften demnach nicht verpaart werden.

Aus der Verpaarung von Girlitzen unterschiedlicher Gattungen (gleichgültig nach welcher Systematik) entstehen im hohen Maße fruchtbare Nachkommen. Diese wollen wir gemäß unseren Grundsätzen jedoch nicht fördern. Da viele Girlitzarten nur in sehr wenigen Stückzahlen gehalten und gezüchtet werden, dürfte es hier zu keinen wesentlichen Einschränkungen in der Mischlingszucht kommen. 

Da der Kanarienvogel (Serinus canaria forma domestica) ebenfalls ein Girlitz ist, darf auch die Kreuzung von Kanarienvogel mit einer Girlitzart nicht zugelassen sein. Das gilt natürlich auch für den Kanarengirlitz (Serinus canaria). Aus solchen Verpaarungen entstehen auf jeden Fall fruchtbare Mischlinge.

Es wäre also sehr angebracht, die DKB-Schauklasseneinteilung der Cardueliden – und darauf aufbauend die SKL-Einteilung der Mischlinge – zu überarbeiten. Es macht aus meiner Sicht auch wenig Sinn, und ist der Übersicht abträglich, wenn Arten aufgeführt werden, die kaum jemals in Züchterhand zu finden sind und diese dann schwerlich zur Bewertung in Ausstellungen geschickt werden. 

Grundsätze der Mischlingszucht im DKB

Die wichtigsten Grundsätze der organisierten Vogelzucht im DKB sind die drei Codices – Codex pro Natura, Codex pro Species und das Grundsatzpapier „Mischlinge“. Auf der DKB-Homepage ist der Codex pro Natura und Codex pro Species bereits auf der Startseite zu finden. Das Grundsatzpapier der Mischlingszucht fehlt dagegen vollständig. Vor allem im Hinblick auf die Gegner der Vogelhaltung und Vogelzucht wird hier wertvolles Potential der Argumentation für unser Hobby verschenkt.

Die „alten Hasen“ werden sich sicherlich an das Grundsatzpapier „Mischlinge“ erinnern, aber wie erlangen neue Mitglieder davon Kenntnis? Wie sollen diese Zuchtfreunde danach handeln? Viel schlimmer ist es jedoch, dass wir unsere selbst auferlegten ethischen Grundsätze im Bereich der oft verpönten Mischlingszucht nicht offensiv verbreiten und unseren Gegnern etwas entgegensetzen, das auch sie nachlesen können. Eine Veröffentlichung auf der DKB-Homepage wäre doch sehr leicht möglich!

Erinnern wir uns deshalb an die fünf wichtigsten Grundsätze des „Grundsatzpapiers Mischlinge“:

  1. Arterhaltung und Mischlingszucht sind kein Gegensatz.
  2. Die Zucht reiner Carduelidae und Fringillidae hat immer Vorrang.
  3. Ethische Verantwortung gehört zur moralischen Züchterpflicht.
  4. Die Erzielung fertiler (= fruchtbarer) Mischlinge ist aus Gründen möglicher Artenfälschung abzulehnen. [1]
  5. Weibchen reiner Naturarten, besonders von selten gepflegten Spezies, sind vorrangig für die Reinzucht einzusetzen.

Auch in der Einleitung zur Schauklasseneinteilung der Mischlinge – die auch nicht mehr irgendwo veröffentlicht ist – wurde Grundsätzliches für die Mischlingszucht im DKB geregelt:

  1. Nur Mischlinge innerhalb der Familie Cardueliden und Fringilliden werden von der Fachgruppe „MC“ betreut.
  2. Nur Mischlinge der ersten Generation (F1) können ausgestellt werden.
  3. Mischlinge innerhalb einer Art sind nicht zugelassen (Anmerkung: das wären dann ja auch keine Mischlinge!)
  4. Mischlinge innerhalb einer Gattung sind nicht zugelassen.
  5. Mischlinge aus der Verpaarung von Gattungen und Arten innerhalb einer Schauklasse sind nicht zugelassen.

Wichtigster Hintergrund dieser Regelung ist offenbar, dass Mischlinge aus Arten innerhalb einer Gattung sehr oft oder immer fruchtbar sind. 

Nur in den Lehrgängen zur Preisrichterausbildung werden einige weitere Grundsätze der Mischlingszucht vermittelt, die dem interessierten Züchter in der Regel nicht zugängig sind.

So ist im DKB festgelegt, dass keine Figurenkanarien oder frisierte Kanarien als Mischlingselternteil verwendet werden dürfen. Es können jedoch Kanarienpartner mit Haube eingesetzt werden. An die Haube eines Mischlings werden die gleichen Anforderungen gestellt, wie bei den entsprechenden Positurkanarien. Die Haube muss also einen guten Mittelpunkt besitzen, gleichmäßig oval oder rund und ohne Scheitelung sein.

Weiterhin ist im DKB festgelegt, dass rotgrundige Cardueliden nur mit rotgrundigen Kanarien, gelbgrundige Cardueliden nur mit gelbgrundigen Kanarien zu verpaaren bzw. als Schauvogel zugelassen sind. Die Lipochromfarbe kann – unter Beachtung dieses Grundsatzes – rot, gelb rotivoor oder gelbivoor sein. Auf die gleichmäßige Ausfärbung der Lipochromfarbe ist dabei zu achten. Auch eine weiße Grundfarbe ist möglich.

Alario
Alariogirlitz (Serinus alario)

Es ist interessant zu wissen, dass der Alariogirlitz (Serinus alario) selbst keine Fettfarbe trägt, vererbt jedoch die Ivoor-Eigenschaft dominant gegenüber jeder Art von Kanarienfettfarbe. Mischlinge mit Rotivoor-Kanarien ergeben – im Zusammenspiel mit der warm-braunen Melaninfarbe des Alariogirlitz – einen harmonischen Farbklang.

Der Grauedelsänger (Crithagra leucopygia) – auch Weißbürzelgirlitz oder Graugirlitz genannt – ist Träger der dominantweißen Grundfarbe. Verpaart man z. B. einen Angolagirlitz (Crithagra atrogularis) oder einen Reichenowgirlitz (Crithagra reichenowi) oder einen Mosambikgirlitz (Crithagra mozambica) mit einem Grauedelsänger,  ergeben  sich bei  den Mischlingen Lipochromausfärbungen, die intermediär zwischen den beiden Ausgangsformen liegen, gleichgültig welches Geschlecht die Mischlinge haben. 

Allerdings ist die Verpaarung von Girlitzarten untereinander abzulehnen und sie sind bereits teilweise nach unserer gültigen Regelung nicht als Schauvögel zugelassen. Interessant wäre es allerdings zu wissen, ob die intermediäre Fettfarbausbildung auch bei Mischlingen zwischen Grauedelsänger und anderen Cardueliden auftritt.

Girlitz-Kanarie
Girlitz-Kanarie
Stieglitz-Dompfaff
Stieglitz-Dompfaff

Manche Cardueliden tragen nur als Jungvögel ein gestricheltes Federkleid, zeigen als adulte Vögel aber keine Strichelung – z. B. Grünfink (Chloris chloris), Schwarzzeisig (Spinus atratus). Mischlinge zwischen Kanarien und diesen Cardueliden bleiben jedoch lebenslang gestrichelt.

Die sichtbaren Mutationsfarben bei Mischlingen gehören auf DKB-Schauen zu besonderen Ausstellungsgruppen (Schauklassenbereiche II und IV). Die mutierten Melanin- und/oder Lipochromfarben ähneln sehr dem Kanarienvogel. Es ist rein vererbungsmäßig nicht möglich, dass eine Kopfplatte z. B. in Melaninpastell so kontrastreich und markant wirkt, wie z. B. in Schwarz. Als Leitlinie kann gesagt werden: je besser z. B. die Achat-, die Isabell-, die Melaninpastelleigenschaft usw. ist, desto besser ist der Mischling hier zu bewerten.

Bei einem Mischling aus der Verpaarung zweier unterschiedlicher Arten sollen die äußerlichen Eigenschaften beider Elternteile erkennbar sein. Das muss nicht im Verhältnis 50 : 50 sein. Typische Zeichnungs- und Melaninmerkmale eines Carduelidenpartners, z. B. Kopfplatte, Flügelbinden, Zügel, Spiegel, Augenstreifen sollte auch der Mischling erkennbar zeigen. Bei weiblichen Mischlingen sind typisch männliche Farben und Zeichnungen eines Wildvogelelternteils jedoch nicht zu erwarten bzw. nur andeutungsweise sichtbar. 

Benennung der Mischlinge

Es ist allgemein üblich, bei Kreuzungen von zwei unterschiedlichen Arten die Vaterart an erster Stelle zu schreiben. Getrennt durch ein „x“ folgt die Artbezeichnung der Mutter. Oft bekommen die Mischlinge eine eigene Bezeichnung, wie wir es vom Maulesel (Nachkomme von Pferdevater x Eselmutter) oder vom Maultier (Nachkomme von Eselvater x Pferdemutter) kennen. Auch unsere Finkenmischlinge werden nach diesem Schema benannt. Ob dies bei Bewertungsschauen des DKB noch zeitgemäß ist, ist sehr fraglich.

Zu Zeiten, als es noch keine Farbmutationen bei Cardueliden gab, war die Angabe nach Wildvogelvater x Kanarienmutter noch recht sinnvoll. Ein isabellfarbiger Mischling konnte mit dieser Verpaarung in der F1 nicht erzielt werden. Solche Mischlinge konnten nur aus einer so genannten „umgekehrten“ Verpaarung entstehen. Es musste also ein Isabellkanarie an eine Wildvogelmutter gepaart werden. Nur die weiblichen Mischlinge zeigten dann ein isabellfarbiges Federkleid. Das war dann auch der Beweis, dass die Angaben des Züchters (Kanarienmännchen x Wildvogelweibchen) stimmten. 

Schwarzbrustzeisig-Kanarie, weißgrundig
Schwarzbrustzeisig-Kanarie, weißgrundig
Erlenzeisig-Kanarie, isabell weißgrundig
Erlenzeisig-Kanarie, isabell weißgrundig

Die Erfolge einer umgekehrten Verpaarung ließen sich demnach nur mit geschlechtsgebunden vererbender Farbeigenschaften erzielen. Frei-rezessiv vererbende Farbeigenschaften (wie etwa Opal) konnten nicht auf die Mischlingsjungen übertragen werden, gleichgültig ob bei einer „normalen“ oder „umgekehrten“ Verpaarung.

Heute kennen wir bei vielen Carduelidenarten eine Vielzahl von Farbmutationen. Viele dieser Mutationen entsprechen in ihrem Erbverhalten weitgehend den wirkungsgleichen Kanarienfarben. Mit einem Wildvogel in einer Mutationsfarbe und einem Kanarienvogel mit einer gleichen Farbe lassen sich Mischlinge beiderlei Geschlechts in dieser Federfarbe erzeugen. Auch die frei und rezessiv vererbenden Farbeigenschaften lassen sich so problemlos in den Mischlingen erzielen.

Der versierte Mischlingszüchter wird also z. B. ein Isabellkanarienmännchen mit einem isabellfarbenen Grünfinkenweibchen verpaaren und mit dem notwendigen Glück isabellfarbene Grünfinkenmischlinge beiderlei Geschlechts erzielen. Auch mit einer umgekehrten Verpaarung (1,0 Isabellgrünfink x 0,1 Isabellkanarie) bekommen wir das gleiche Ergebnis.

Hausgimpel-Kanarie, phaeo
Hausgimpel-Kanarie, phaeo
Stieglitz-Grünfink, Isabell
Stieglitz-Grünfink, Isabell

Da es bei Hausgimpeln heute die frei und rezessiv vererbende Phaeoeigenschaft gibt, ist der richtige Partner ein Phaeokanarienvogel. Auch hier werden alle Mischlingsjungen die Phaeoeigenschaft zeigen.

Der Preisrichter hat also heute keine Möglichkeit, die Angaben zu dem vorgestellten Mischling zu kontrollieren. In Bezug auf die sichtbare Mutationsfarbe ist es vollkommen gleichgültig geworden, welche Vogelart der Vater und welche Vogelart die Mutter ist. Wenn dem jedoch so ist, muss die geläufige Schreibweise auf den Prüfstand gestellt werden. So ist es durchaus denkbar, dass ein Mischling statt „Erlenzeisig x Kanarie isabell“ als „Erlenzeisig-Kanarie, isabell“ benannt wird. Aus dieser geänderten Bezeichnung ist nicht ablesbar, welcher Elternteil Vater und welcher Elternteil Mutter des Mischlings ist. Einzig wichtig ist, dass es sich um einen isabellfarbigen Mischling aus der Kreuzung zwischen Kanarie und Erlenzeisig handelt. Wie er zustande gekommen ist, muss den Preisrichter heute nicht mehr interessieren und ist bestenfalls für den Züchter von Bedeutung.

Aus der Verpaarung 1,0 Erlenzeisig x 0,1 Girlitz zeigen die Mischlingsmännchen eine mehr oder weniger ausgeprägte Kopfplatte des Zeisigvaters. Die Mischlingsweibchen werden diese nicht zeigen. Bei einer „umgekehrten“ Verpaarung – also 1,0 Girlitz x 0,1 Erlenzeisig – zeigen alle Mischlinge keine oder nur wenig angedeutete Kopfplatten. Eine Bezeichnung nach herkömmlicher Art ist und war also überflüssig. Auch hier wäre die Mischlingsbezeichnung „Erlenzeisig- Girlitz“ unverfänglich und allgemeingültig.

DKB-Schauklasseneinteilung der Mischlinge

Für eine Schauklasseneinteilung der Mischlinge ist es also nicht notwendig je Mischlingsart zwei Schauklassenschlüssel zu vergeben (1 x normale Verpaarung; 1 x umgekehrte Verpaarung), wie es erneut in der Schauklasseneinteilung der Mischlinge auf der DKB-Homepage zu lesen ist. 

Die Erläuterungen zum Aufbau der Schauklassen der Mischlinge bzw. die Erläuterungen zur Änderung der Mischlingsanmeldung (Stand: 8. Juni 2012) sind eher verwirrend und mehr für den PC-Auswerter während der Anmeldungs-/Schauzeit gedacht. Auch die auf der DKB-Homepage veröffentlichte Schauklasseneinteilung der Mischlinge schafft hier wenig Klarheit und Flexibilität. Es werden zwar alle möglichen Verpaarungsmöglichkeiten aufgezählt, jedoch kann diese Liste niemals vollständig sein, da es immer wieder neue Kombinationen geben wird. Vor allem wenn man die rasante Entwicklung der Farbmutationen bei unseren Cardueliden berücksichtigen will. 

Birkenzeisig-Stieglitz

Quellen

[1] A. Arnaiz-Villena, J. Guillén, V. Ruiz-del-Valle, E Lowy, J. Zamora, P. Varela, D. Stefani, L.M. Allende: Phylogeoraphy of crossbills, bullfinches, grosbeaks, and rosefinches. Cellular and Molecular Life Sciences Vol. 58: 1159-1166, 2001.

[2] S. Cramp, C. M. Perrins (eds): The Bird of the Western Paleartic. Vol. 8. Oxford University Press, Oxford 1994.

[3] G. Sangster: Genetic distanceas a test of species boundaries in the Citril Finch Serinus citrinella: a citrique and taxonomic reinterpretaion. Ibis 142(3): 487-490, 2000.

[4] Zoonomen – Zoological Nomenclature Resource. Unter: www.zoonomen.net [Stand: 20.02.2014].

[5] Mikko’s Phylogeny Archive. Unter: http://www.helsinki.fi/~mhaaramo [Stand: 22.02.2014].

[6] Sibley, C. G., Monroe, B, L.: Distribution and taxonomy of birds of the world. Yale University Press. New Haven and London 1990.

[7] Howard, R., Moore, A.: Complete Checklist of the Birds of the World. Princeton University Press. 3. Auflage, Juli 2003.

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