6. Oktober 2024

Das Vogelbein

veröffentlicht in Der Vogelfreund” 08/2018

Der gesamte Körperbau der Vögel ist auf das Fliegen ausgerichtet. Aus diesem Grund hat die Evolution dafür gesorgt, dass möglichst viel Gewicht eingespart wird. Deshalb sind die Knochen hohl und teilweise mit Luft gefüllt; deshalb haben Vögel Luftsäcke, einen leichten Hornschnabel statt schwere Zähne usw.

Auch im Vogelskelett fanden einige „Einsparungen“ und Umbauten statt, wie wir sie bei anderen Landwirbeltieren selten finden. Deutlich wird das für jeden Vogelhalter und Vogelzüchter am Beispiel der Vogelbeine.

Das Vogelbein besteht wie bei allen Landwirbeltieren aus Oberschenkel, Unterschenkel und Fuß. Das Bein der Vögel weist jedoch eine Reihe morphologischer Unterschiede auf. Deshalb kann man nicht einfach von der menschlichen Anatomie auf die des Vogels schließen.

Der Vogelschenkel

Der Oberschenkelknochen (Femur) ist sehr gut bemuskelt und ist mit dem Hüftgelenk am Beckenknochen beweglich befestigt. Der Oberschenkel ist bei normaler Haltung des Vogels nach vorn gerichtet und liegt eng am Körper an. Vom Oberschenkel sehen wir bei den meisten Vögeln nichts, da er von Federn und den Flügelfedern bedeckt wird.

Vergleich der Beinskelette zwischen Vögeln und Menschen

Dem Oberschenkelknochen folgt der Unterschenkel, die beide mit einem Kniegelenk (Intertarsalgelenk) verbunden sind. Auch vom Knie sehen wir bei den meisten Vögeln nichts, da es vom Federkleid bedeckt ist. Im Gegensatz zum menschlichen Skelett besteht der Unterschenkel aus dem Schienbein (Tibia), dem verkümmerten Wadenbein (Fibula) und den mit dem Schienbein verwachsenen Fußwurzelknochen (Sprungbein – Talus, Fersenbein – Calcaneus). Es entsteht somit ein neuer Unterschenkelknochen, der Tibiotarsus.

Der muskulöse Unterschenkel ist bei den Cardueliden befiedert und schaut mehr (bei einigen Positurrassen deutlich) oder weniger aus dem Gefieder hervor. Dieser Unterschenkel wird von Züchtern meist unfachlich verkürzt als „Schenkel“ bezeichnet.

Der Vogelfuß

Dem Unterschenkel folgt – wie auch beim menschlichen Skelett – der Fuß. Das Skelett des Vogelfußes hat die drastischste Veränderung erfahren. Die ursprünglich zwischen Fußwurzelknochen und Zehenknochen befindlichen Mittelfußknochen (Ossa metatarsalia) sind bei Vögeln zu einem neuen Knochen verwachsen. Dieser neue Mittelfuß wird als Laufbein, oder kurz als Lauf (Tarsometatasus) oder auch als Ständer bezeichnet.

Zwischen Unterschenkel und Laufbein ist eine einfache, als Intertarsalgelenk (Articulatio intertarsalis) bezeichnete, Knochenverbindung ausgebildet (diese entspricht somit der Ferse des Menschen). Am unteren Ende des Laufbeines entspringen den Zehengrundgelenken (Articulatio metatarsophalangis) die vier Zehen an deren Enden die Krallen ausgebildet sind.

Der Vogelfuß (Lauf und Zehen) ist bei Cardueliden unbefiedert und mit Hornschuppen bedeckt. Deshalb werden sie gemeinsam mit dem Schnabel auch „Hornteile“ genannt.

Der Vogelfuß besteht also aus dem Lauf, den Zehen und den Krallen!

Soweit die exakte ornithologisch-anatomische Bezeichnung der unteren Extremitäten der Vögel.

Nicht exakte Bezeichnungen

Bei Gesprächen und beim Fachsimpeln zwischen Züchtern wird meist vom „Bein“ gesprochen („der Vogel hat sich das Bein gebrochen“). Sie meinen jedoch den Lauf (Ständer). Auch haben Vögel an den Füßen ein Geschwür – gemeint sind jedoch die Zehen. So wird die menschliche Anatomie auf die Vogelanatomie übertragen. Ich gestehe, auch ich bin vor diesem alltäglichen Gebrauch der Körperbezeichnungen nicht immun und verwende sie unbedacht. Wir sollten uns jedoch hin und wieder auf die exakte Formulierung besinnen, besonders wenn es um schriftliche Veröffentlichungen handelt.

Beim Stöbern in unserer Vogelliteratur finden wir dann auch solch nicht exakten Aussagen:

  • „die Schenkel sind sichtbar“ – gemeint ist „die Unterschenkel sind sichtbar“
  • „die Beine sind kräftig und leicht gewinkelt“ – gemeint ist „die Läufe sind kräftig und leicht gewinkelt“
  • „der Vogel hat kurze, zierliche, feingeschuppte Beine“ – gemeint ist „der Vogel hat kurze, zierliche, feingeschuppte Läufe und Zehen“
  • „die Füße greifen gut um die Sitzstange“ – gemeint ist „die Zehen greifen gut um die Sitzstange“
  • „die Beine sind so schwarz wie möglich“ – gemeint ist „Läufe, Zehen und Krallen (Füße) sind so schwarz wie möglich

Auch eine Bewertungsposition „Beine und Füße“ ist im o. g. Sinn nicht exakt. Zu einen gehört zum Bein auch der Fuß, zum anderen soll ja zumeist nur die Haltung, Schuppung, Farbe etc. der Läufe, Zehen und Krallen (also der Füße im anatomischen Sinn) beurteilt werden. Wenn auf den Zusatz „Füße“ verzichtet wird, nähert sich die Beschreibung der Bewertungsposition der gewünschten Beurteilung (z. B. feingeschuppte, zierliche Hornteile und/oder lange/kurze Läufe und/oder sichtbare/nicht sichtbare [Unter]schenkel).

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