veröffentlicht in AZ-Vogelinfo 8/2020 und “Der Vogelfreund” 7/2004
Historie
Wie groß er wirklich war, der „Grote Gent`se Vogel“ – der Große Vogel von Gent – werden wir wohl niemals erfahren. Dem Namen nach war er ein Riese unter den damaligen Kanarienvögeln – aber Größe ist immer relativ.
Aus vielen alte Quellen ist zu entnehmen, dass diese alte große Kanarienrasse das Entstehen weiterer großer Rassen befördert hat. So wird die Entstehung der heutigen großen Positurkanarienrassen Pariser Trompeter, Bossu Belge, Crested, Norwich, Yorkshire und Lancashire auf den Großen Genter Vogel zurückgeführt. Die Anfänge der Zuchten dieser, in ihrer Gestalt sehr unterschiedlichen, Kanarienrassen begannen zum Teil schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Entwicklung der Kanarienrasse „Lancashire“ kann bis etwa um 1820 zurückverfolgt werden. Im Jahr 1879 schrieb Blackstone, Swaysland und Wiener in ihrem Werk, das diese Rasse vor allem in den Städten des großen „Cottonopolis“ in der Grafschaft Lancashire gezüchtet wurden. Die Züchter aus der englischen Metropole Manchester nannten ihren Vogel nach ihrem Heimatort „Manchester“ und den Haubenpartner „Manchester Coppy“. In den anderen Städten wurden diese Vögel „Lancashire“ genannt, ein Name, der sich letztlich weltweit durchsetzte.
Die Lancashire-Züchter trafen sich wöchentlich in den Häusern der Arbeiterklubs und brachten ihre Vögel mit. In neun aufeinanderfolgenden Monaten – beginnend im Juni für die noch nicht gemauserten Vögel bis zum November für die fertig gemauserten Vögel – fanden Schauen statt. Jede Schau fand in einem Haus statt, das mit dem Namen des Gastgebers gebührend bekannt gegeben wurde. Es handelte sich um einen alten Brauch der Klubmitglieder, zu dem ein alter Liebhaber meinte: „Das tut es seit vierzig Jahren, und warum nicht bis ans Ende der Zeit?“ Zu diesem Ausspruch passt auch, dass die damals wichtigsten Rassemerkmale noch heute gültig sind und angestrebt werden.
Im Laufe der Jahrzehnte wurden andere Rassen beliebter, wie etwa die Yorkshire- und Norwich-Kanarien. In diese Rassen wurden wiederholt Lancashire-Kanarien eingekreuzt, um die Größe der Yorkshire zu verbessern. Mit Hilfe der Lancashire Coppys entstanden die Hauben-Norwich, aus denen später die Crested-Kanarien hervorgingen. All das sind möglicherweise Gründe, warum die Lancashire-Zuchten zurückgingen.
Die beiden Weltkriege haben wahrlich viel, viel Unheil in allen Bereichen des Lebens angerichtet. Auch die Rasse „Lancashire“ ist im Zweiten Weltkrieg untergegangen und fast vollständig ausgestorben. Es ist schon ein eigenartiges Schicksal des Lancashire, dass die Rassen, die mit Hilfe des Lancashire erschaffen bzw. verbessert worden sind – der Crested und der Yorkshire –sich trotz der Kriegswirren behaupten konnten und die Urrasse ausstarb.
Aber diese Seite ist auch das Glück im Unglück, denn die Lancashire, die wir heute züchten, sind Vögel, die mit Hilfe der vorhandenen Yorkshire und Crested rekonstruiert werden konnten. Das in diesen beiden Rassen noch vorhandene Genmaterial wurde verwendet, um das Erscheinungsbild des ausgestorbenen Lancashires wieder entstehen zu lassen.
Auch wenn der Lancashire in unseren heutigen Ausstellungen nur recht selten und in wenigen Exemplaren vertreten ist, hat er doch wieder seinen Platz in der Vielfalt der Positurkanarien gefunden.
Rassebeschreibung
Der Lancashire ist eine sehr imponierende Haubenkanarienrasse und ist die größte unter den englischen Positurrassen. Der Lancashire ist nur in aufgehellt Gelb oder aufgehellt Weiß zugelassen.
Coppy (Haube) oder Kopf – 25 Punkte:
Die Haubenvögel werden „Coppies“ genannt – ein kurioses Wort, für das im englischen keine Erklärung existiert. Die alten Kanarienexperten glauben, dass es in der Region Lancashire ein altes Wort für eine Haube ist.
Für Lancashire-Enthusiasten hat die Haube die höchste Bedeutung. Oft liest man, dass sich die Haube von anderen Haubenvögel unterscheidet, denn sie soll eine „Hufeisenform“ (Horseshoes) haben. Dieser Begriff ist jedoch irreführend, da er darauf hindeutet, dass es eine weitere Haubenart geben würde. Das ist jedoch nicht der Fall, denn die Haube ist, wie bei allen anderen Haubenvögeln, eine Rundhaube.
Der möglichst kleine Mittelpunkt befindet sich in der Mitte des möglichst flachen Kopfes und, von der Seite aus betrachtet, über den Augen. Vom Mittelpunkt aus müssen die Haubenfedern gleichmäßig nach allen Seiten ausstrahlen. Dabei sollen die Haubenfedern nach vorne auf den Schnabel fallen und an den Seiten bis an die Augen heranreichen, ohne letztere zu verdecken. Beginnend hinter der Augenlinie und bis in den Nacken sollten die Federn so eng wie möglich anliegen und mit den Federn im Nacken eine Einheit bilden. Nur so wird die geforderte vermeintliche Hufeisenform der Lancashire-Haube entstehen, die ideale Haubenform dieser Rasse.
Der Lancashire darf traditionell nur als aufgehellter gelber oder aufgehellt weißer Vogel ohne jede Scheckung ausgestellt werden. Nur die Haube darf melaninhaltig oder grizzled oder aufgehellt sein. Eine saubere aufgehellte Haube (Clearcoppy), die im Nacken gut anliegt, unterstützt den Eindruck einer hufeisenförmigen Haube viel besser als eine Melaninhaube.
In alten Zeiten, als es erheblich mehr Lancashires gab als heutzutage, wurden Clearcoppies, Greycoppies und Grizzledcoppies in verschiedenen Schauklassen ausgestellt. Heute, bei erheblich weniger Vögel, stehen alle Vögel in einer Schauklasse, unabhängig davon wie die Haube gefärbt ist.
Plainhead (Glattkopf):
Der abgeflachte Kopf muss groß sein; sowohl in der Länge als auch in der Breite. Als Zuchtpartner des Coppy muss der Plainhead lange Federn auf dem Kopf haben. Diese Federn fallen gleichmäßig und bogenförmig herab und bilden Überaugenwülste, oft auch als „Augenbrauen“ bezeichnet. Diese langen Federn müssen jedoch die Augen sichtbar lassen. Auch die Plainheads dürfen nur als aufgehellte gelbe und weiße Vögel ausgestellt werden. Jede Scheckung (auch am Kopf) führt bei ihnen zum Bewertungsausschluss.
Der Schnabel soll, im Verhältnis zum großen Kopf, klein und kurz sein.
Für die Haube bzw. für den Kopf des Plainheads können bis zu 25 Punkte (von 100) vergeben werden. Diese hohe mögliche Punktzahl unterstreicht die Wichtigkeit dieses Rassemerkmales.
Größe – 25 Punkte:
Die Länge von 9 Inch (23 cm) wurde lange Zeit als das ideale Maß empfohlen. Erst 2021 fand man heraus, dass offenbar in alter Literatur ein Umrechnungsfehler von Inch in Zentimeter geschah. Der Standard wurde daraufhin berichtigt, so dass heute mindestens 21 cm Länge gefordert werden. Größer darf ein Lancashire jedoch weiterhin sein.
Unstrittig ist, dass die Größe als sehr wichtig angesehen wird. Das drückt sich auch in den entsprechenden Bewertungspositionen aus, denn für die Größe können 25 Punkte (von 100) vergeben werden.
Körper, Gefieder, Beine – 20 Punkte:
Sowohl die Coppies als auch die Plainheads sollen – bis auf die Haube – in der Körperform identisch sein. Neben den Anforderungen an die Größe soll auch durch seine Gestalt der Eindruck eines mächtigen und kraftvollen Vogels entstehen.
Der Rumpf wird durch einen breiten, leicht gerundeten Rücken, eine volle Brust und breite Schultern charakterisiert. Keinesfalls soll die größte Breite der Brust zu weit oben angesiedelt sein, wie wir es vom heutigen Yorkshire kennen, sondern wesentlich tiefer den größten Umfang besitzen.
Der Körper ist lang und zugespitzt und endet in einem langen Schwanz, der leicht abfallend getragen wird. Er kann auch in Linie mit dem Rest des Körpers getragen werden, jedoch niemals angehoben und so auf seine Verwandtschaft mit dem Yorkshire hinweisen.
Die Flügel sind lang, geschlossen und eng am Körper anliegend, so dass ein lang gestreckter Eindruck unterstrichen wird. Der Schwanz ist lang und kompakt, am Ende nur leicht eingekerbt und wird in der Idealhaltung leicht abgesenkt getragen.
Das Gefieder soll lang und dicht und trotzdem gut anliegend sein. Vor allem nichtintensive Vögel mit einem sehr langen und lockeren Gefieder können oft ihr Bauch- und Flankengefieder nicht eng an den Körper anlegen. Dieser Gefiedermangel zerstört die Körperform, die ja zum Schwanz hin zugespitzt verlaufen soll.
Die gelbe Lipochromfarbe bzw. das Weiß hat für eine Bewertung keine Bedeutung. Ein gut ausgefärbter gelber bzw. ein sauberer weißer Vogel mit straff anliegendem Gefieder hinterlässt jedoch einen besseren Eindruck. Außerhalb der Haube dürfen keinerlei Melaninscheckungen zu sehen sein. Auch nicht am Schnabel, Läufe, Zehen und Krallen. Das würde ein Bewertungsausschluss bedeuten. Vor allem im Untergefieder der Schenkelfedern können kleine graue Federn auftreten. Mit etwas Glück verblassen diese Federn im Laufe der Zeit vollständig.
Die befiederten Unterschenkel sind gering sichtbar und gehen in die kräftigen Läufe über. Die Lauflänge muss zur Erscheinung des Körpers passen und sollen leicht angewinkelt den Körper tragen. Aufgrund der kräftigen Läufe werden Lancashire mit der Ringgröße 3,2 mm beringt.
Haltung – 15 Punkte:
Der Lancashire ist ein imponierend aussehender Vogel der niemals geduckt über der Sitzstange hocken sollte, sondern eine aufrechte kommandierende Offiziershaltung einnehmen.
Durch den etwas hängenden Schwanz sind die Flügelenden leicht vom Schwanzansatz abgehoben.
Hals und Nacken – 10 Punkte:
Der große und abgeflachte Kopf soll in einen vollen, langen und dicken Nacken übergehen. Der Nacken- und Halsbereich ist vom Rumpf abgesetzt und bildet eine ganz leichte Einschnürung.
Kondition – 5 Punkte:
Der Lancashire im Ausstellungskäfig soll gesund und gut gepflegt sein, sich wohlfühlen und aufmerksam seine Umgebung beobachten. Das erfordert ein Schautraining, das jedoch bei dieser ruhigen Rasse nur wenige Tage andauern muss.
Haltung und Fütterung
Diese großen Vögel müssen zur Zucht in größeren Käfigen gehalten werden. Die Zuchtboxen sollten eine Mindestlänge von 60 cm und eine Breite und Höhe von je 40 cm haben. Eine größere Höhe ist vorzuziehen, denn die Sitzstangen dürfen nicht zu dicht unter der Käfigdecke angebracht sein, um die aufrechte Haltung der Vögel zu fördern. Auch im Hinblick auf das Befruchtungsergebnis sollten Züchter dieser Rasse diesen Hinweis beachten. Wenn das Männchen beim Befliegen des Weibchens nach oben nicht genügend Platz hat, braucht man sich über unbefruchtete Eier nicht zu wundern.
Lancashire baden recht gern und häufig, wenn sie dazu Gelegenheit haben. Am Zuchtkäfig lassen sich problemlos handelsübliche Badehäuschen anhängen. Aufgrund der Vogelgröße sollte die größere Ausführung zur Anwendung kommen.
Hin und wieder hört man, dass große Volieren für diese Rasse nicht sonderlich gut geeignet sein sollen. Anfänglich hatte ich ähnliches auch angenommen, da manche der neu zugekauften Vögel sich nur schwer vom Volierenboden in die oberen Regionen aufschwingen konnten. Nach einigen Wochen sind auch diese Vögel so flink und gewandt im Flug, wie die Farbenkanarien, die mit ihnen die Volieren bevölkern. Die ihnen gebotene ausreichende Bewegung beugt darüber hinaus einer Verfettung – und der damit verbundenen Krankheiten – weitgehend vor.
Als aufgehellte Vögel sind Lancashire empfindlich gegenüber plötzlichen Änderungen der Lichtverhältnisse. Sie kommen schnell in eine unkontrollierte Mauser, auch außerhalb der Mauserzeit. Das geschieht vor allem dann, wenn die Vögel aus der Voliere in die Zuchtkäfige umgesetzt werden oder von Ausstellungen zurückkommen. Man muss also dafür sorgen, dass sowohl die Dauer als auch die Lichtintensität der künstlichen Beleuchtung dem vorherigen Aufenthaltsort entspricht.
In der Fütterung ist der Lancashire nicht besonders anspruchsvoll. Er benötigt aber zum Aufbau seiner Federfülle mehr Proteine als kleinere Rassen. Das Eifutter kann deshalb etwas kräftiger ausfallen und auch in etwas größeren Portionen verabreicht werden. Das Körnerfutter sollte einen höheren Anteil an kohlehydratreichen Sämereien haben als es für andere Rassen oder Farbenkanarien üblicherweise verwendet wird. In der Körnermischung sollte deshalb der Anteil an Kanariensaat, Haferkerne und Hirse etwa 50 % betragen. Leinsamen und Leindotter haben wichtige Inhaltsstoffe, die den Federaufbau günstig beeinflussen.
Das Vitamine und Mineralstoffe das ganze Jahr über gefüttert werden sollten, ist eigentlich – wie in allen Bereichen der Vogelzucht – als selbstverständlich anzusehen. Lancashire, die an Grünfutter gewöhnt sind, haben mit der Verdauung dieses wertvollen Futters keinerlei Schwierigkeiten.
Die Zucht der Lancashire
Der Lancashire ist kein schlechter Zuchtvogel, wie manchmal behauptet wird. Sind die Brutvögel gesund und besitzt man einen guten Zuchtstamm gibt es keine größeren Schwierigkeiten in der Zucht. In der Vergangenheit wurde häufig Ammenzucht betrieben. Die Lancashire-Hennen standen im Verdacht, gleichgültige Mütter zu sein. Ich kann diese Meinung nicht bestätigen, denn gute Vogelmütter ziehen auch mehr als zwei Junge problemlos auf.
Einmal verpaart, sind die Vogeleltern schier unzertrennlich. Das Männchen kümmert sich aufopferungsvoll um sein Weibchen, sitzt oft am Nestrand, füttert sie oder wispert ihr etwas ins Ohr. Deshalb sind Umpaarungen in der Brutsaison oder gar eine Wechselhecke mit Schwierigkeiten verbunden. Auch wenn sich bereits in der Voliere Paare gefunden haben, ist die Zuordnung eines anderen Partners durch den Züchter bei diesen Vögeln nicht willkommen. Eine möglichst frühe Paarzusammenstellung ist deshalb anzuraten.
Man sollte annehmen, dass diese große Rasse auch entsprechend große Nester benötigt. Mit den größeren Nestern habe ich jedoch oft keine guten Erfahrungen gemacht. Die Weibchen bauten in diesen großen Nestkörbchen nur ein sehr lockeres Nest, so dass die Eier im Nestmaterial verschwanden und zerbrachen. Auch mit einem anderen Angebot an Nistmaterial änderte sich daran nichts. Heute verwende ich Nestkörbchen in normaler Größe. Die Lancashire-Weibchen bauen darin feste Nester brüten sehr sicher. Nur wenn drei und mehr Jungvögel im Nest sitzen und diese größer geworden sind, tausche ich das kleine Nest gegen ein größeres aus.
Die Jungvögel brauchen etwas länger für ihre körperliche Entwicklung als kleine Rassen. Manche Jungvögel können erst im Alter von 34 Tagen abgesetzt werden. Das Männchen kümmert sich intensiv um die Jungen. Wenn das Weibchen mit einer weiteren Brut beginnt, und die Jungvögel noch im Zuchtkäfig sind, kann das zu Problemen führen. Die Jungvögel stören das Männchen beim Tretakt oder sie sitzen gerne beim brütenden Weibchen. Dann ist es besser, den Zuchtkäfig mit einem Gitter zu teilen und das Männchen mit den Jungen abzusperren. Das Nest für die zweite Brut sollte dann nahe an diesem Trenngitter sein, damit das Männchen noch Schnabelkontakt mit seinem Weibchen haben kann.
Bei der Paarzusammenstellung gilt der Grundsatz, dass niemals zwei Vögel mit den gleichen Fehlern verpaart werden dürfen. Beide Partner müssen alle gewünschten Rassemerkmale wenigstens einmal besitzen.
Wie bei allen Haubenkanarienrassen werden auch beim Lancashire Haubenvögel mit Glattkopfpartnern verpaart. Dabei ist es gleichgültig, ob Hahn oder Henne eine Coppy tragen. Es hält sich aber das Gerücht, das von Haubenweibchen mehr Nachkommen eine Haube tragen.
Bei der Verpaarung von zwei Coppies sterben 25 % der Jungen bereits im Ei, da diese den Haubenfaktor doppelt besitzen. Diese Verpaarung ist also zu unterlassen. Eine Verpaarung von zwei Plainheads miteinander ist ohne Nachteil für die Nachkommen. Allerdings fallen von solch einem Paar niemals Coppies. Damit entspricht eine solche Verpaarung nicht dem Zuchtziel, schöne Haubenvögel zu erhalten. Vögel mit Haubenfehlern, wie Scheitelhaube, außermittiger Mittelpunkt usw., sollten nicht zur Zucht verwendet werden, da sich diese Fehler im Zuchtstamm festigen können.
Um die Größe und die gewünschte Federlänge der Vögel zu erhalten bzw. zu verbessern, werden sehr häufig Schimmelvögel miteinander verpaart. Unter Beachtung der Federtextur ist das nicht mit Nachteilen verbunden. Wir müssen nur darauf achten, dass nicht fortwährend Vögel mit weichen Federn verpaart werden. Das führt unweigerlich zum gefürchteten Lumps (auch Federzysten genannt).
Auch beim Lancashire gibt es Intensivvögel, wenn auch nur wenige. Diese intensiven Lancashire sind – wenn sie eine harte Feder besitzen – ein idealer Partner für Vögel mit sehr weichem Gefieder. Lässt bei intensiven Lancashire die Haube oft zu wünschen übrig, sollten diese trotzdem in der Zucht Verwendung finden. Das ist immer noch besser, als einen lumpsanfälligen Stamm zu bekommen.
Die Entwicklung der Größe im Zuchtstamm muss sorgfältig beobachtet werden. Vögel von guter Qualität, die aber etwas zu klein sind, müssen einen wirklich großen Partner erhalten. Die geforderte Größe zu erreichen und dann auch zu halten, ist sehr schwierig.
Da der Lancashire nur als aufgehellter gelber oder weißer Vogel bei Bewertungen zugelassen ist, sollten auch nur aufgehellte Vögel miteinander verpaart werden. Allerdings darf die Haube Melanin besitzen. Da dies eine Scheckung ist, treten immer wieder Jungvögel auf, die auch an anderen Körperstellen Scheckungen zeigen. Häufiger im Kopf- und Halsbereich und seltener an den Flanken oder im Flügel. Sonderbarerweise fallen fast nie Glattköpfe, die eine melaninhaltige Kopfplatte besitzen, aber fast alle Nestlinge mit Haube haben mehr oder weniger viel Melanin in der Haube. Graue und gegrizzelte Federn in der Haube und im Gefieder wachsen oft nach der Jugendmauser vollständig gelb nach und dunkle Federn werden grau oder gegrizzelt.
Vögel mit einer kleinen Scheckung kann man durchaus für die Zucht einsetzen, vorausgesetzt man wählt Partner aus, die keinerlei Scheckung besitzen. Der Einsatz von leicht gescheckten Vögeln (Ticket-Vögel) soll auch eine Verbesserung des Gefieders zur Folge haben.
Vor dem Zuchtbeginn schneide ich das üppige Gefieder rund um die Kloake kurz, um die Befruchtungsrate zu erhöhen. Die Federn auf dem Rand der Kloakenöffnung bleiben aber unangetastet. Lange Krallen kürze ich ebenfalls bei dieser Gelegenheit, denn spitze Krallen können leicht die Eier beschädigen.
Ausstellung
Der Lancashire wird in Deutschland im Kuppelkäfig ausgestellt.
Aufgrund seines meist sehr ruhigen Wesens ist der Lancashire ein recht geeigneter Ausstellungsvogel. Trotzdem sollte er vor der Ausstellung ein Training absolvieren.
Etwa vier Wochen vor dem ersten Ausstellungstermin setze ich die Kandidaten zu je zwei Vögel in eine abteilbare, doppelte Zuchtbox. Kleinere Unregelmäßigkeiten im Gefieder können so besser erkannt und ggf. noch behoben werden. Dazu gehören das vorsichtige Auszupfen unregelmäßig fallender Haubenfedern, das Richten verbogener Schwanz- oder Flügelfedern und das Säubern der Beine und des Ringes. Dass die Ausstellungsvögel täglich besonders unter Beobachtung stehen, versteht sich von selbst. Nur so lässt sich feststellen, welcher der Kandidaten die besten Chancen für eine gute Bewertung hat.
Haben sich die Vögel an ihre neue Umgebung gewöhnt, hänge ich einen Ausstellungskäfig an die Zuchtboxtür. Die Vögel suchen schnell diesen Käfig auf, da sie hier einen besseren Überblick über das Geschehen im Zuchtraum haben und die Nachbarn im anderen Abteil sehen können. Futter und Wasser reiche ich dann nur noch in diesem Käfig. Ein hoch angebrachter Naschnapf mit einer Leckerei veranlasst die Vögel sich aufzurichten und verbinden diese Haltung mit etwas Angenehmen.
Ich habe immer den Eindruck, dass die Vögel ihren allseits offenen Ausstellungskäfig mögen, denn sie halten sich in diesem fast ständig auf. Sie haben darüber hinaus immer die Möglichkeit ihre geräumigere Zuchtbox aufzusuchen. Dort biete ich den Schauvögeln täglich eine Bademöglichkeit an, die meist sofort benutzt wird.
Etwa 14 Tage vor der Ausstellung werden die beiden Vögel voneinander getrennt und jeder erhält seinen eigenen Ausstellungskäfig. Die Vögel haben nun kaum noch Scheu und beobachten interessiert das Geschehen im Raum.
Ein bis zwei Tage vor der Einlieferung müssen die Vögel in ihrem Ausstellungskäfig bleiben. Ich nehme die Käfige dann täglich zum Füttern in die Hand und stelle sie an anderer Stelle in ein Regal zurück.
Am Tag vor der Einlieferung zur Ausstellung werden die Käfige noch einmal gründlich gesäubert und die Ausstellungsvögel nochmals auf Sauberkeit und glattes Gefieder überprüft. Dann bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die Lancashire vor dem Preisrichter auch wirklich gut präsentieren und der erhoffte Erfolg sich in Form hoher Punktzahlen auf der Bewertungskarte niederschlägt.
Mögen zukünftig noch mehr Züchter sich mit dieser Positurkanarienrasse beschäftigen. Sie hat es verdient!
Quellen und Literatur
Claßen, H.; Kolter,W.: Die Positurkanarien. Eigenverlag, Rheinmünster 2005.
Blackston, W.A.; Swaysland, W.; Wiener, A.F.: The Illustrated Book Of Canaries And Cage-Birds. London, Paris, New York, 1879.
Müller, T.; Feiter, U.: Faszination Positurkanarien – eine Leidenschaft fürs Leben. Palm Druck & Verlag, Baesweiler, 2013.
Schramm, N.: Kompendium – Kanarienvögel, Band 3, Positurkanarien aus aller Welt. Books on Demand, Norderstedt, 2021. Siehe auch