veröffentlicht im “Der Vogelfreund” 12/2021
Historie
In Colognora di Compito, ein Stadtteil von Capannori (Toskana – Italien), verbrachte MICHELE DEL PRETE seine Kindheit. Durch das kleine Dorf fließt das Flüsschen Rogio, dessen Name an etwas Winziges, Kleines und Anmutiges denken lässt. Das brachte Michele Del Prete auf den Gedanken, seine neugeschaffene kleine, frisierte Positurkanarienrasse „Rogetto“ zu nennen.
Aber wie kam er auf die Idee, solch eine Rasse zu gestalten? In seiner Kanarienzucht pflegt und züchtet er u. a. Arricciato Gigante Italiano und Fiorino.
Er schreibt dazu: „Die Idee, mich der Schaffung dieser möglichen neuen Rasse zu widmen, kam mir vor vielen Jahren [1998], als bei meiner Zucht von Pariser Trompeter (damals war der AGI noch nicht anerkannt) einige Vögel geboren wurden, die, abgesehen von ihrer geringeren Körpergröße, einen deutlich kürzeren Schwanz als der Durchschnitt der anderen Exemplare hatten, während sie bei allen anderen Merkmalen, insbesondere dem Kopf, hervorragende Eigenschaften aufwiesen.
… Meine Leidenschaft für die Zucht von Lockenvögeln war schon immer so groß, dass ich, um etwas Neues zu schaffen, dem ich mich mit neuem Enthusiasmus widmen konnte, auf die Idee kam, diese kleinen Kerlchen zu veredeln, um eine neue Frisé-Rasse zu schaffen, die sich durch geringe Größe in Verbindung mit maximaler Ausprägung des Gefieders auszeichnet; ein bisschen so, wie es viele Jahre zuvor geschehen war, als wir mit meinem Freund Zingoni den Fiorino schufen.“[1]
Die zwergwüchsigen AGI verpaarte er mit Fiorinos, die zu viele Frisuren hatten. Bei der Selektion wurde eine Reihe von Anforderungen festgelegt und über einige Jahre geduldig kombiniert. Im Laufe der Zeit konnte er die Kleinheit der Vögel, gepaart mit üppigen Frisuren, in seinem Zuchtstamm festigen und an viele interessierte Züchter abgeben.
Ein erster Versuch die neue Rasse international anerkennen zu lassen, scheiterte im Januar 2014 zur Weltmeisterschaft in Bari (Italien). Drei Jahre später, zur C.O.M.-Weltmeisterschaft in Almería (Spanien) 2017 wurde die erste von drei Prüfungen erfolgreich bestanden. Die endgültige internationale Anerkennung als neue Frisé-Rasse wurde anlässlich der Weltmeisterschaft in Zwolle (Niederlande) 2019 erteilt.
Rassebeschreibung
Der Rogetto ist eine kleine Frisé-Kanarienrasse mit aufrechter Haltung, die in Italien entstand. Er ist in allen Kanarienfarben, einschließlich der Schecken, zugelassen.
Die Besonderheit des sind die drei Hauptfrisuren, die durch weitere Sekundärfrisuren (Nebenfrisuren) ergänzt werden, so dass keine Körperstelle unfrisiert bleibt. Wie bei seinem großen Ahn, dem Arricciato Gigante Italiano (AGI), streben die Federn der Frisuren in Richtung Kopf und die Rückenfrisur ist rund.
Größe – 20 Punkte: Der Rogetto soll maximal 15 cm groß sein, möglichst jedoch kleiner. Er darf nie größer sein, da das zu empfindlichen Punktabzügen bei einer Bewertung führen würde.
Hals und Kopf – 20 Punkte: Der Kopf ist rund und voluminös. Die Federn des Nackens (revers) sind nach oben gerichtet und gehen in die nach vorn gerichteten Federn der Kapuze über. Auch kürzere Kapuzen oder Frisuren mit einem Ansatz einer Kapuze sind erlaubt. Wichtig ist jedoch immer, dass die Federn am Hinterkopf und Nacken nach oben und vorn weisen. Ebenso wichtig ist, dass die Augen noch sichtbar sind und der Vogel sich ausreichend orientieren kann.
Ein Kragen ist nur im vorderen Teil des Halses sichtbar, denn im Nacken verschmilzt der Kragen als Revers mit den Kopffedern.
Rückenfrisur – 10 Punkte: Wie auch beim AGI bildet die Rückenfrisur eine rosen-/rosettenförmige Frisur. Die breiten, langen und sehr ausladenden Federn streben von einem zentralen Mittelpunkt des Rückens nach allen Seiten. Die wertvollste „Rose“ bedeckt 3/4 des Rückens. Je regelmäßiger und größer die „Rose“ ist, desto wertvoller ist sie.
Das Federpolster des Buketts schließt sich unterhalb des Mantels an. Die Federn dieser Sekundärfrisur sollen nach rechts und nach links fallen.
Flankenfrisur – 10 Punkte: Die Federn dieser Hauptfrisur streben beidseits oberhalb der Schenkel zuerst nach außen und wölben sich dann nach oben und sollen bis zur Höhe der Schultern reichen. Das wird nur erreicht, wenn diese Federn breit, lang und gut entwickelt sind. Sie zeugen von der tatsächlichen Qualität des Gefieders. Keinesfalls dürfen sie schlaff nach unten hängen. Sie müssen sich deutlich von der Rücken- und Brustfrisur abheben.
Brustfrisur und Bauch – 10 Punkte: Wie beim AGI streben die Brustfedern von beiden Seiten nach oben und bilden in der Nähe des Kragens einen „Fächer“, ohne eine Öffnung zu bilden.
Auch der Bauch muss beim Rogetto frisiert sein. Die Federn der Culotte sind nach oben gerichtet und schließen sich an die Brustfrisur an.
Haltung – 5 Punkte: Die Haltung im Schaukäfig ist aufrecht in einem Winkel von mindestens 60 Grad zur Sitzstangenebene. Der Schwanz bildet mit Kopf und Rücken eine gerade Linie.
Gefieder – 5 Punkte: Das Gefieder ist seidig, weich und sehr voluminös. Da ein Vogel, dem diese Merkmale fehlen, bereits bei den Bewertungspositionen der Frisuren Punktabzüge hinnehmen mussten, wird in diesem Punkt nur die Gefiederbeschaffenheit berücksichtigt. Alle Kanarienfarben sind erlaubt.
Flügel – 5 Punkte: Die kräftigen Flügel werden anliegend getragen und sollen sich über dem Bürzel nicht kreuzen oder herabhängen.
Beine – 5 Punkte: Die Ständer und Zehen sind der Körpergröße des Rogetto angepasst. Ein kleiner Vogel braucht Ständer und Zehen, die gut mit seinem Körper harmonieren. Wenn sie zu lang sind, wirkt der Vogel nicht anmutig.
Schwanz – 5 Punkte: Um mit dem kleinen Körperbau in Einklang zu stehen, sollte der Schwanz so kurz wie möglich sein. Ein leicht hängender Schwanz ist kein Fehler. Die Schwanzspitze sollte weder zu breit noch gegabelt sein. Hahnenfedern müssen vorhanden sein.
Kondition – 5 Punkte: Der nicht scheue Vogel ist sauber, gesund und zeigt sich in guter Kondition und Käfiggewöhnung.
Haltung und Zucht
Der Rogetto kann, wie andere Kanarienrassen, außerhalb der Brutzeit in Flugkäfigen und Volieren gehalten werden. Eine Vergesellschaftung mit glatt befiederten Kanarien kann jedoch problematisch sein, da diese zu gern an den abstehenden Frisuren zupfen. Während der Zuchtperiode ist eine paarweise Haltung in Zuchtboxen, wie sie für andere kleine Rassen geeignet sind, zu empfehlen. Aufgrund seiner Federfülle benötigen Frisé-Kanarien ein proteinreiches Futter, das über das ganze Jahr gereicht werden sollte. Während der Zuchtperiode muss der Anteil an tierischen Eiweiß erhöht werden, sollte aber nicht mehr als 20 % betragen. Das Vogelgrit, Kalk und Spurenelemente das ganze Jahr über zur ständigen Aufnahme zur Verfügung gestellt werden müssen, sollte selbstverständlich sein, sei aber hier noch einmal betont.
Ein Frisé-Kanarienzüchter muss sich immer im Klaren sein, das es viel Zeit und Hingabe erfordert, Vögel zu züchten, die den Standardvorgaben so nahe wie möglich zu kommen. Für diese Rasse gilt es vor allem, die Größe und die rassetypischen Frisuren im Zuchtstamm zu festigen.
Auf dem ersten Blick scheinen sich der Mehringer und der Rogetto sehr zu ähneln. Da gemäß den Standards der Größenunterschied nur 2 cm beträgt, kann ein etwas zu großer Mehringer und ein wünschenswert kleiner Rogetto die gleiche Größe haben. Hinzu kommt, dass es sehr schwierig ist, die Größe eines Vogel im Schaukäfig exakt einzuschätzen. Hilfreich ist hier der Vergleich mit einem normalen Kugelschreiber, dessen Länge meist 13 bis 14 cm beträgt.
Neben der Größe sind die Frisuren die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale. Die aufstrebenden Federn der Frisuren einschließlich der Kappe sind allein dem Rogetto vorbehalten. Allerdings können solche Merkmale auch beim Mehringer auftreten. Das könnte manchen Züchter verleiten, solch einen Vogel als Rogetto auszustellen. Gleiches gilt natürlich auch für einen Rogetto, der, wenn er seine Frisuren nicht standardgerecht zeigen kann, nicht als Mehringer betrachtet werden darf.
Bei der Auswahl der Zuchtpartner ist deshalb auf eine deutliche Ausprägung der standardgerechten Frisuren und auf die Größe besonders zu achten. Darum muss die Selektion der Zuchtvögel rigoros sein. Vögel, die Mängel im Gefieder, in der Größe und im Brutverlauf haben, sind aus der Zucht auszuschließen. Da auch beim Rogetto, wie bei allen anderen Rassen, eine Tendenz zum Größerwerden zu beobachten ist, muss auf die Einhaltung der maximalen Größe besonderer Wert gelegt werden.
Um gute Ausstellungsvögel zu bekommen, sind bei der Paarzusammenstellungen die allgemeingültigen Regeln in der Kombination der Federtextur zu beachten. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Gefiederbeschaffenheit sind die Flanken- oder Stützfedern, da sie am deutlichsten die Federqualität des gesamten Vogels anzeigen. Diese Federn sollen hart und elastisch sein, aber nicht starr und steif nach außen stehen oder, bei zu weichen Federn, schlaff herabhängen. Der Hauptaugenmerk ist auf die gute Ausprägung der drei Hauptfrisuren zu legen. Kann man bei Nebenfrisuren einen kleinen Kompromiss an deren Qualität eingehen, sollte man dies bei den Primärfrisuren unbedingt vermeiden.
Eine reine Verpaarung von Vögeln mit einer feinen, kurzen Feder führt schnell zu offenen Frisuren. Die häufige Verpaarung von Vögeln mit langer breiter Feder führt zu einem lockeren Gefieder und die Frisuren hängen herab, statt sich straff in die richtige Richtung zu biegen. Bei rein aufgehellten Stämmen lässt die Gefiederqualität schnell nach. Um dem entgegenzuwirken, sollte man hin und wieder Melaninvögel oder gescheckte Vögel einkreuzen.
Quellen und Literatur
Ich bedanke mich bei Francesco Rossini, der mir gestattet hat, Bilder aus der Broschüre „Guido alla conoscenza del connotati del canarino «Rogetto»“ verwenden zu dürfen.
[1] Del Prete, M.: Il Rogetto. Unter: http://www.associazionefiorentinaornitologica.it/Articolo%20ROGETTO%20DUE.htm [Stand: 16.08.2021]
Del Prete, M.; Rossini, F.: Chiarimenti Rogetto: conosciamolo meglio. Italia Ornitologica 11/2014