veröffentlicht im „Der Vogelfreund“ 8/2019
Historie
Der italienische Kanarienzüchter und COM/OMJ-Preisrichter Carlo Maria Nobili züchtet unter anderem Schwarzonyx Dominantweiß und klassische Schwarzvögel in Dominantweiß. Mit diesen Vögeln hat er wiederholt italienische Meisterschaften und Weltmeisterschaften gewonnen. Es sind also Vögel der Spitzenklasse. Im Frühling 2014 war er sehr überrascht, dass in einem Nest ein Junges schlüpfte, das farblich nicht seinen Erwartungen entsprach. Drei Jungvögel waren normal schwarz, aber ein vierter Nestling war hellhäutig.
Der Vater war Schwarzonyx Dominantweiß und die Mutter Schwarz Dominantweiß spalt in Onyx und somit hätte dieser Jungvogel nicht im Nest liegen dürfen. Anfänglich machte er sich keine weiteren Gedanken. Vielleicht, so dachte er, habe er aus Versehen ein „einsames“ Ei von einem anderen Paar untergelegt. Als die Jungen heranwuchsen, stellte er fest, dass erwartungsgemäß die dunklen Jungvögel zwei Schwarzonyx und ein Schwarzer sind. Der helle Vogel ähnelte jedoch keiner Kanarienfarbe, die er in seiner Zucht besaß. C. M. Nobili konnte sich das nicht erklären und wartete das Ergebnis der zweiten Brut ab. Er war erstaunt, das wiederum ein schwarzer Onyx, aber auch drei hellhäutige Vögel schlüpften. Diese drei Vögel waren identisch mit dem hellen Vogel der ersten Brut.
Von Begeisterung ergriffen, ließ er eine dritte Brut zu, von der er vier Schwarze und einen Onyx bekam. Insgesamt zog das Paar 13 Jungvögel auf: 4 in Schwarzonyx Dominantweiß, 5 in Schwarz Dominantweiß und 4 dominantweiße Perla-Mutanten. In Bezug auf das Dominantweiß ist dies auch eine Anomalie, da das dominante Weiß ein subletaler Faktor ist bzw. sein soll. In seinem Fall sind jedoch aus allen 13 gelegten Eiern dominantweiße Jungvögel geschlüpft und groß geworden!
Wie sich herausstellte, waren die Mutanten zwei Männchen und zwei Weibchen, was automatisch ausschließt, dass es sich um eine geschlechtsgebundene Mutation handelt.[1] Um herauszufinden, wie der Vererbungsgang tatsächlich ist, wurden bis 2016 verschiedene Paare zur Zucht angesetzt. Aus diesen Verpaarungen entstanden folgende phänotypischen Jungvögel:
Insgesamt wurden 33 Jungvögel geboren, von denen phänotypisch 16 als Perla, 9 als Schwarze und 8 als Onyx angesprochen werden konnten.[2] [4]
Schließlich wurde ein Männchen in Braun Rotmosaik mit einem Nero-Perla-Weibchen verpaart. Daraus entstand ein braunes Weibchen spalt in Perla, das den Grundstein dafür legen soll, die Perla-Mutation auf die vier klassischen Melaninfarben zu übertragen.
In der Brutzeit 2017 sind bei den 58 erzielten Nero Perla einige dunklere Exemplare aufgetreten, die als „Perlentyp 2“ bezeichnet werden. Der Perlentyp 2 zeigt eine stärker ausgeprägte Färbung. Demzufolge gibt es derzeit zwei Farbvarianten:
Perlentyp 1, mit einer helleren Melanisierung (aufgetreten erstmals 2015),
Perlentyp 2, mit einer dunkleren Melanisierung (aufgetreten erstmals 2017).
Derzeit ist nur bekannt, dass es keine Zwischenprodukte zwischen dem Perlentyp 1 und Typ 2 gibt. Somit kann der Perlentyp 1 einen Perlentyp 2 reproduzieren. [3]
Beschreibung des Phänotyps
Bei den Vögeln mit der Perla-Eigenschaft sind das Zeichnungs- und das Flächenmelanin so drastisch reduziert, dass nur noch ein insgesamt heller perlgrauer Farbton sichtbar ist. Nur die Enden der Handschwingen und Schwanzfedern besitzen noch dunkles Melanin, das möglichst schwarz sein soll. Braunes Melanin (Phaeomelanin) soll nicht sichtbar sein.
Ein weiteres Merkmal ist die Melaninfärbung um den Schnabel herum, wie eine Maske, die jedoch nicht durch sexuellen Dimorphismus bestimmt ist, wie beispielsweise bei Mosaikkanarien.
Die Hornteile können durchaus als schwarz bezeichnet werden, wenn sie auch nicht so schwarz sind wie bei den klassischen Schwarzvögeln.
Die Nestlinge haben blaue Augen, diese werden aber mit zunehmenden Alter dunkler. Das bedeutet, dass im Erwachsenenalter die Augen schwarz erscheinen.
Das Untergefieder ist hellgrau. Nach C. M. Nobili sollen die Melanine nur auf der Unterseite der Federkiele eingelagert sein, ähnlich wie es von Opal bekannt ist.
Vor der ersten Jugendmauser bilden die Jungvögel an den Spitzen der Arm-, Flügel- und Handdecken und der Daumenfittiche Melanin aus. Nach der Jugendmauser wachsen die Flügel- und Armdecken ohne dunkle Enden nach und sind dann einfarbig perlgrau. Da die Daumenfittiche und die sechs äußeren Handdecken normalerweise nicht im 1. Jahr gewechselt werden, behalten sie ihre dunklen Spitzen.
Nach der ersten Vollmauser gehen alle dunklen Federspitzen verloren und werden durch ein einheitliches helles Perlgrau ersetzt. Nur der Vorderkopf bleibt etwas dunkler. Dieses Phänomen ist auch zu beobachten, wenn Jungvögel vor der ersten Jugendmauser Federn mit Melaninspitzen verlieren, denn diese wachsen dann ohne diese dunklen Melaninbereiche nach.[4]
Vererbung der Perla-Eigenschaft
Weil die neue Perla-Mutation anfänglich in einem engen Zusammenhang mit der Onyx-Eigenschaft (und dem klassischen Schwarz) stand, vermutete man zwei mögliche genetische Ursachen:
- Perla ist eine weitere Mutation (multiples Allel) des Opal-Onyx-Faktors und liegt demnach auf dem auf dem gleichen Genort;
- Perla ist eine eigenständige neue Mutation, unabhängig von bisherigen Mutationen.[2]
Nach der Zuchtsaison 2016 und 2017 konnte C. M. Nobili aber beweisen, dass „Nero Perla“ eine echte Mutation mit einer autosomal rezessiven Vererbung ist. Die italienischen Züchter machen dafür ein Gen verantwortlich, das sich analog wie bei Säugetieren verhält. Es wird dort als „Himalaya“-Gen (auch Chinchilla-, Point- oder Siam-Gen) bezeichnet. In Italien wird deshalb die Genbezeichnung ch (abgeleitet von Himalaya) verwendet. Daraus ergeben sich folgende Verpaarungsmöglichkeiten:
Über das genetische Verhalten der Nero-Perla-Mutation müssen weitere Fakten und Erfahrungen gesammelt werden, insbesondere über den neuen Perlentyp 2.
Mögliche Ursachen der Mutation
Es ist durchaus denkbar, dass die einzigartige Pigmentierung der „Nero Perla“ auf einen Akromelanismus (Kälteschwärzung) zurückzuführen ist.
Eine Kälteschwärzung finden wir bei einigen Haustierrassen (z. B. Point-Katzen, Russenkaninchen, Englischen Parkrindern). Bei ihnen färben sich nur die kühleren Körperteile (Extremitäten, Schwanz, Ohren und Nase) dunkel, während das Fell nahe dem wärmeren Körperkern heller bleibt. Die dunkel gefärbten Körperteile werden meist als „Point“ (Punkt) bezeichnet. Akromelanismus ist eine Form des Albinismus mit einer temperaturempfindlichen Restaktivität der Tyrosinase (Enzym zur Melaninsynthese), die schon bei normaler Körpertemperatur nicht voll funktionsfähig ist. Diese Mutation wird zum Formenkreis des Oculocutanen Albinismus Typ 1 (Tyrosinasepositiver Albinismus OCA 1 B) gerechnet. Ein gemeinsames Merkmal der von der Kälteschwärzung betroffener Tiere sind ihre blauen Augen bei der Geburt, die jedoch im Laufe der körperlichen Entwicklung nachdunkeln können.
Wie bei Säugetieren lagern sich auch bei akromelanistischen Vögeln die Melanine vor allem an den weiter vom warmen Körperkern entfernten Körperteilen ab – also am Kopf und Schnabel, an den Ständern, Zehen und Krallen sowie an den Enden von Flügeln (Arm und Hand) und Schwanzfedern.
Da die Melaninsynthese bei dieser Mutation auch von der Umgebungstemperatur und nicht nur von der Körpertemperatur abhängt, kann in kühleren Perioden während der Mauser – oder wenn verloren gegangene Federn in dieser Zeit ersetzt werden – auch etwas Melanin an anderen Stellen gebildet werden. Bei den Nero Perla treffen all diese Merkmale, einschließlich der blauen Augen nach dem Schlupf, ebenfalls zu. Damit ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Mutation „Nero Perla“ auf den Akromelanismus zurückzuführen ist.[5] [6]
Ausblick
Derzeit werden fast ausschließlich Bilder von weißgrundigen Nero Perla veröffentlicht. Naturgemäß zeigen diese Vögel ein einheitlich perlgraues Gefieder und die dunklen Federspitzen heben sich kontrastreich ab. Wenn diese neue Mutation eine weitere Verbreitung in den Zuchtanlagen findet, ist zu erwarten, dass diese Mutation auch mit anderen Melanin- und Lipochromfarben kombiniert wird. Ein Transfer der Mutation wird bereits versucht und wir werden bereits in den nächsten Jahren Perlen in den vier klassischen Melaninfarben sehen (Bruno Perla, Agata Perla, Isabella Perla). Die Nero Perla in Gelb- und Rotmosaik geben ein ähnlich kontrastreiches Erscheinungsbild ab. Aber auch gelbe und rote Vögel mit schwarzen Federenden sind farblich gut vorstellbar.
Derzeit ist die Mutation noch nicht von der C.O.M. anerkannt, jedoch hat die technische Kommission (CTN) des italienischen Züchterverbandes F.O.I. eine Standardbeschreibung erstellt und diese Vögel national anerkannt.
Ein herzliches Dankeschön an Carlo Maria Nobili und Gianmaria Bertarini für die Genehmigung, ihre Bilder verwenden zu dürfen und Gianmaria Bertarini außerdem für die Zusendung seiner Unterlagen und Berichte.
Quellen und Literatur
[1] Interview von Francesco Chieppa mit C. M. Nobili im Forum der Website „Il portale italiano dell ornitofilia“. Siehe unter: http://www.verdiardesia.com/interviste/perla/intervista-nobili.asp
[2] C.T.N. Canarini di Colore: Novita Il Canario nero perla. Italia Ornitologica, 12/2016.
[3] Werner Krüger. Unter: https://kanarioloog.skyrock.com/3312176538-2018-Eerste-nestje-NERO-PERLA-Zwart-Geparelden-bij-Sjaak-de-Jong-te.html [Stand: 07.10.2019]
[4] Blog von Gianmaria Bertarini. Unter: https://bertarini.skyrock.com/3304328008-NERO-PERLA-COLORPOINTS.html [Stand: 07.10.2019]und https://bertarini.skyrock.com/3300181152-NERO-PERLA.html [Stand: 07.10.2019]
[5] A. Rosenthal. Unter: https://kanarioloog.skyrock.com/3300224356-The-Acromelanistic-Rare-Color-Mutation-Nero-Perla-by-A-Rosenthal.html [Stand: 07.10.2019]
[6] Siehe auch bei: https://de.wikipedia.org/wiki/
Homepage C. M. Nobili: http://canarinimonza.altervista.org/index.php
Forum der Website „Il portale italiano dell ornitofilia“. Unter: http://lnx.verdiardesia.com/forumuccelli/canarini-di-colore/canali-sul-nero-perla-t1371.html