Mikroskopische und chemische Untersuchungen von Kanarienvogel- Federn
Die Vielfalt der Kanarienfarben übt auf mich schon lange eine große Faszination aus. Deshalb züchte ich seit mehr als 50 Jahren die verschiedensten Farbenkanarien; deshalb ist in den letzten Jahren der Wunsch gewachsen, mehr über die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung zu erfahren. Ich wollte mehr wissen über die Farben der Kanarien und über deren Zustandekommen.
Die Melaninbildung wurde und wird sehr tiefgreifend und umfassend erforscht. Man weiß heute, dass es in der Natur Eumelanine und Phaeomelanine gibt, weiß wie diese entstehen und eingelagert werden und man kennt viele Gene, die diese Vorgänge steuern. Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, sind viele chemische, biochemische und elektronenmikroskopische Untersuchungen notwendig. Die Ergebnisse werden in der jeweiligen Fachliteratur veröffentlicht, die Untersuchungsprotokolle den Interessierten zugängig gemacht und sind in den Quellenangaben wissenschaftlicher Abhandlungen zu finden [1].
Leider wurden zur Erforschung der Melanogenese nie Kanarien verwendet. Trotzdem sind folgende Aussagen in fast jedem Kanarienbuch und in vielen Veröffentlichungen zu finden:
Ausgangslage
Folgende Aussagen findet man in fast jedem Kanarienbuch und in vielen Veröffentlichungen:
- Die Färbung der Kanarien können durch Eu- und Phaeomelanine und durch Lipochrome erzeugt werden.
- Phaeomelanine werden verstärkt am Federrand, Eumelanin hauptsächlich in der Federmitte, am bzw. im Federkiel, eingelagert
- Einige Kanarienfarbschläge sollen nur eine bestimmte Melaninform besitzen – nur Eumelanin oder nur Phaeomelanin oder nur bestimmte Anteile von beiden.
- Die runden, rot- bis hellbraunen Phaeomelanin-Körnchen (Phaeomelanin-Granula) sind in Laugen leicht löslich und die länglich-ovalen, schwarzen und braunen Eumelanin-Körnchen (Eumelanin-Granula) sind in Laugen schwer löslich.
- Die Melanine liegen nur in verringerter Anzahl vor, die ursprünglichen Melaninfarben sind “verdünnt”.
- Melanine haben sich von einer Form in die andere umgewandelt oder transformiert.
- Bestimmte Kanarienfarben werden einem veränderten Zellenbau der Feder zugeschrieben und dann als Strukturfarben bezeichnet.
- Melanine haben sich von einer Form in die andere umgewandelt oder transformiert.
usw. usw.
Ob diese Aussagen tatsächlich bei den Kanarienvögeln zutreffen, wurde nicht untersucht, vielmehr sind es Analogien aus den Erkenntnissen anderer Vogelarten oder gar Tiergattungen.
Um diese Feststellungen treffen zu können, sind eine Vielzahl chemischer, biochemischer und elektronenmikroskopischer Untersuchungen notwendig. Hin und wieder finden sich in der Kanarienliteratur oder in Aufsätzen Hinweise auf stattgefundene Untersuchungen zur Ursache der betreffenden Federfärbung. Leider findet man dann keinerlei Hinweis auf die Quelle dieser Information. Da diese Untersuchungen sehr aufwendig und teuer sind, ist zu erwarten, dass die Ergebnisse auch in der jeweiligen Fachliteratur veröffentlicht und die Untersuchungsprotokolle den
Interessierten zugängig gemacht werden.
Auf der Suche nach diesen Quellen hatte ich bisher jedoch keinerlei Erfolg und das trotz jahrelanger Suche. Wenn es Hinweise gibt, dann beziehen sie sich auf Erkenntnisse von Untersuchungen anderer Vogelarten, die meist nicht mit dem Kanarienvogel in einem engeren Verhältnis stehen. Die Melaninbildung wurde sehr tiefgreifend und umfassend erforscht. Man verwendete dazu nur äußerst selten oder nie Kanarienfedern.
Bis heute haben sich die Kanarienzüchter geholfen, indem sie Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen bei anderen Tieren und Vögeln auf die Kanarien übertragen haben. Das ist durchaus ein legitimes Mittel, um bestimmte Sachverhalte tiefgründiger zu beschreiben. Es birgt allerdings die Gefahr, dass Sachverhalte einfach falsch interpretiert werden können.
Fazit: Es gibt keine Veröffentlichungen über Untersuchungen der Kanarienfarben, die obige Aussagen beweisen können! Deshalb muss ich davon ausgehen, dass viele Aussagen über Kanarienfarben unbewiesene Behauptungen oder Hypothesen sind.
Widersprüchliche Aussagen
In der ornithologischen Fachliteratur wird das Zusammenspiel von melaninhaltigen Markzellen und lipochromhaltigen Rindenzellen zur Erzeugung verschiedener Farben erwähnt. Als markantes Beispiel wird sehr häufig die Entstehung der verschiedenen Farben beim Wellensittich (Melopsittacus undulatus) angeführt. Meist wird dann die Zeichnung von Fritz Franz (Abb. 1) herangezogen und seine Aussage sehr frei interpretiert. Die Entstehung der Wellensittichfarben wird dann, wie in den Bildern 2 bis 5 gezeigt, erklärt.
Offensichtlich hat noch nie jemand diese Aussage nachgeprüft, sonst wäre recht schnell erkannt worden, dass es in keiner Feder melaninhaltige Markzellen gibt. Ich habe eine ganze Reihe von Federn der verschiedenen Vögel mittels Lichtmikroskop untersucht und niemals melaninhaltige Zellen im Markkanal der Federn finden können – auch nicht beim Wellensittich!
Unumstritten ist, dass es zwei verschiedene Melaninarten gibt, das Eu- und das Phaeomelanin. Also nehmen wir an, dass die Färbung melaninhaltiger Kanarien durch Eu- und Pheaomelanine hervorgerufen wird.
Das sich Eu- und Phaeomelanine durch eine bestimmte Granulatform (längliche Eumelanine und runde Phaeomelanine) unterscheiden lassen, ist unter Wissenschaftlern jedoch immer noch umstritten. Es gibt Wissenschaftler, die runde Eumelanine und längliche Phaeomelanine gefunden haben wollen.
Ungeachtet dessen wird in der Kanarienliteratur auf die längliche, stäbchenförmige Granulatform der Eumelanine bzw. auf die runde Form der Phaeomelanine hingewiesen.
Unumstritten ist, dass sich – chemisch betrachtet – die Phaeomelanine durch einen höheren Anteil der schwefelhaltigen Aminosäure Cytesin von den Eumelaninen abgrenzen.
Eu- und Phaeomelanine sollen sich auch durch die Löslichkeit in Laugen unterscheiden lassen. Auch das können wir hin und wieder in der Kanarienliteratur lesen. Dass andere Forscher festgestellt haben, dass sich helle Melanine leichter lösen lassen als dunkle – gleichgültig ob es sich um Eu- oder Phaeomelanine handelt – lesen wir hingegen nicht!
Unter dem Elektronenmikroskop kann man die Melaninkörner sichtbar machen, aber es ist leider technisch noch nicht möglich auch die tatsächliche Farbe zu bestimmen – die Fotos sind schwarz-weiß. Da auch die Granulatform nicht weiterhilft, wissen wir nicht ob und in welcher Menge Eu- und/oder Phaeomelanin in den Kanarienfedern der einzelnen Farbschläge vorliegen.
Melaninkörnchen werden in einer bestimmten Dichte in der Feder eingelagert. Eine Aufhellung der Melaninfarbe kann viele Ursachen haben. Eine verminderte Dichte ist lediglich ein möglicher Weg. Es hat jedoch noch niemand diese Dichte bestimmt. Somit konnte auch eine verringerte Dichte (Melaninverdünnung) noch nicht nachgewiesen werden.
Eine Ursache kann z. B. auch die verminderte Melanineinlagerung in den Melanosomen sein.
Welcher dieser Ursachen nun bei den betreffenden Farbschlägen tatsächlich auftritt, hat bisher noch niemand untersucht.
Wenn das so ist, muss ich also selbst Untersuchungen anstellen und begann mit der chemischen Untersuchung melaninhaltiger Kanarienfedern.
Chemische Untersuchungen
In der Literatur wird beschrieben, das Eumelanin auch in 45 % iger Lauge nicht oder nur sehr schwer löslich ist. Phaeomelanin hingegen bereits in 2 % iger Lauge in Lösung geht.
Das musste doch nachzuvollziehen sein. Ich beschaffte mir deshalb 45 %i ge und 2 % ige Kalilauge, Rückendeckfedern von Schwarz,- Braun-, Achat-, Satinet- und Phaeo-Kanarien und versetzte jeweils eine Feder in je einem Reagenzglas mit der 45 % igen Kalilauge, eine andere Feder mit der 2 % igen Kalilauge.
Ich ließ die Federn so lange in der Lauge bis zum Anfang ihrer Zersetzung. Eine farbliche Änderung der Lauge konnte in keinem Fall beobachtet werden! Auch nicht bei Feder von Phaeo-Kanarien! Eine Erwärmung der in den Laugen schwimmenden Federn bis zum Siedepunkt ergab kein anderes Ergebnis.
Bedeutet das, dass kein leicht lösliches Phaeomelanin in der Kanarienfeder vorhanden ist?
Für einen weiteren Vergleich wiederholte ich den Versuch mit den rotbraunen Flankenfedern wildfarbiger Zebrafinken (Taeniopygia guttata).
Nach wenigen Sekunden verfärbte sich die Kalilauge gelb, nach einigen Minuten orange! Sowohl mit 45 % iger als auch mit 2 % iger Kalilauge. Nach längerer Einwirkzeit der Laugen entfärbten sich die Flankenfedern des Zebrafinken fast vollständig.
Für die rotbraune Färbung der Zebrafinkenflanken wird in der Literatur das leicht lösliche Phaeomelanin verantwortlich gemacht!
Solch ein simpler – und von jedem leicht durchführbarer – Versuch ist offensichtlich noch niemals vorgenommen worden, denn dann wären berechtigte Zweifel aufgekommen, ob es denn überhaupt Phaeomelanin in der Kanarienfeder gibt. Erst später erfuhr ich durch Studium verschiedener Literatur, dass sich Wissenschaftler durchaus nicht einig sind über die Löslichkeit der beiden Melaninarten. So
sollen helle Melaninarten grundsätzlich leichter löslich sein als dunkle, unabhängig davon, ob es sich um Eu- oder Phaeomelanine handelt.
Vollkommen unsicher geworden, entsann ich mich, das sich Eumelanine und Phaeomelanine auch in ihrer Granulatform unterscheiden lassen sollen. Dazu sind eigentlich elektronenmikroskopische Aufnahmen notwenig, aber wer hat schon dafür Möglichkeiten? Ich versuchte mit einem Lichtmikroskop zu mehr Erkenntnissen zu gelangen.
Lichtmikroskopische Untersuchungen
Ich beschaffte mir – Dank der Unterstützung des Lehrerkollegiums des Gymnasiums Dresden-Plauen – ein normales Mikroskop, eine elektronische Kamera mit dem entsprechenden Mikroskop-Tubus und einen Monitor (Bildschirm-Diagonale 33 cm).
Um die relative Vergrößerung der erzeugten Bilder feststellen zu können, wendete ich folgendes Verfahren an:
Zum Größenvergleich diente mir menschliches Kopfhaar. Ich legte für die Stärke des Haares den durchschnittlichen Wert von 0,06 mm fest. Auf dem Bildschirm konnte die Breite des Haares, und damit die relative Vergrößerung der einzelnen Okulare gemessen werden.
Untersuchungsmaterial
Die zu untersuchenden Federn stammen von den Kanarien aus der eigenen Zucht und von Vögeln befreundeter Züchter. Dabei legte ich Wert auf gelb- und weißgrundige Vögel, da ich meine, das Federn dieser Vögel am ehesten das Melanin unverfälscht sichtbar machen. Nur zum Vergleich wurden auch Federn rotgrundiger Kanarien herangezogen.
Die heute existierenden Melaninkanarien entsprechen wohl nur noch sehr selten der ursprünglichen aufgetretenen Farbmutationen. Auch die heutigen Schwarzvögel – aus denen einige Farbmutationen entstanden – haben kaum noch einen Bezug zur ursprünglichen schwarz-braunen Melaninfärbung des Kanarengirlitzes. Um jedoch Vergleiche zwischen der ursprünglichen Färbung und der heutigen, veränderten, Färbung ziehen zu können, zog ich Federn des europäischen Girlitzes (Serinus serinus) heran.
In dieser ersten Untersuchung wurden Federn vom europäischen Girlitz und von Farbenkanarien mit den Melaninfarben Schwarz, Braun, Achat, Isabell, (Braun)Satinet, Schwarz-, Achat- und Satinet-Opal, Schwarz-Onyx sowie Aufgehellte in Rot und Gelb verwendet. Federn anderer Vogelarten wurden zum weiteren Vergleich ebenfalls herangezogen.
Um entsprechende Vergleiche zwischen den einzelnen Farbschlägen führen zu können, wurden nur Rückendeckfedern und Federn des Großgefieders (Schwanzfedern und/oder Flügelschwingen) verwendet. Von den Rückendeckfedern wurden die ausgewählt, die eine eindeutige Melanin-Strichelung in der Federmitte aufwiesen.
Untersucht wurden folgende Federteile:
- Dunenäste und Dunenstrahlen der Basisdunen der Rückendeckfeder
- Kiele des Großgefieders und der Rückendeckfedern in der Aufsicht und im Querschnitt
- Lipochromhaltige und melaninhaltige Federäste der Rückendeckfedern in Aufsicht und im Querschnitt
Untersuchungsmethoden
Die o. g. Federteile wurden einzeln der jeweiligen Feder entnommen, auf einem Objektträger gelegt und mit Deckglas fixiert. Für einzelne kleinste Federteile und für eine Vergrößerung von ca. 1300 x wurde z. T. Fixieröl verwendet.
Querschnitte durch Federkiele und Federäste ließen sich nur mittels scharfer Schere herstellen (Quetschungen möglich), da der Versuch von Mikroschnitten an der Sprödigkeit der Federteile scheiterte (Absplitterungen).
Alle zu untersuchenden Objekte wurden nicht eingefärbt.
Betrachtet wurden die Objekte im Durchlicht und/oder Auflicht; Querschnitte nur im Auflicht. Die Einstellung mit der größtmöglichen Erkennbarkeit von Einzelheiten wurde fotografiert.
Die Fotos wurden auf einem Computer übertragen und ggf. nachbearbeitet. Dabei wurden lediglich Ausschnitte erstellt oder Hintergründe bearbeitet, um eine größtmögliche Aussage zu erleichtern. An Farbe und Kontrast der Bilder oder Bilderteile wurde nichts verändert.
Die technischen Voraussetzungen sind leider nur als recht einfach zu bezeichnen. Die Platzierung und die Bearbeitung feinster Federteile (mit bloßem Auge kaum sichtbar) auf dem Objektträger erwies sich als recht schwierig und erforderte ein hohes Maß an Geduld und Feinmotorik. Deshalb ist von den mehren hundert Bildern nur ein geringer Teil für eine Veröffentlichung geeignet und aussagefähig.
Dunen
Die Dunenäste der Rückendeckfedern bestehen aus linear hintereinander angeordneten Zellen, die sichtbar Melanin eingelagert haben. Dabei sind die Zellwände stärker pigmentiert (Abb. 12).
Die Dunenstrahlen sind mittels einer breiten Basis am Dunenast angesetzt. Aus dieser abgeflachten und farblosen Basis geht anschließend der eigentliche runde Teil des Dunenstrahls hervor, der deutlich durch viele Abschnitte unterteilt ist.
Jeder Abschnitt verdickt sich an seinem Ende, um mit dem nächsten Abschnitt wieder schmaler zu beginnen. Dadurch entstehen „Knoten”, die alleinig Melanine enthalten. Durch die regelmäßige Abfolge dieser Segmente entsteht eine „Grashalmstruktur” (Abb. 13).
Die Färbung der Knoten ist beim Girlitz, beim Schwarzvogel und beim Achatvogel ein tiefes Schwarz, bei Braun- und Isabellvögel ein Graubraun. Bei Achat- und Isabellvögel ist die farbliche Ausdehnung reduziert und es treten mehr oder wenig häufig farblose oder fast farblose Knoten auf.
In den von mir untersuchten Fällen haben Braun-, Achat- und Isabell-Kanarien kronenartige Spitzen
am verdickten Ende der Knoten.
Lipochromfarben sind in allen Teilen der Dunen nicht feststellbar.
Federkiele
Bei den meisten Farbspielarten der Melaninkanarien sind die Federoberseiten dunkler gefärbt als die Federunterseiten. Das spiegelt sich auch in den Federkielen wieder. Bei unmutierten Melaninvögeln (hier Girlitz und Schwarz-Gelb) können die Federzellen der Federkieloberseiten nicht sichtbar gemacht werden (zu starke Melanineinlagerung?). Trotz erkennbarer Strukturen innerhalb der Färbung ist eine Unterscheidung von Melaninkörnchen auch bei 1300-facher Vergrößerung nicht möglich (Abb. 14).
Die Rindenzellen der Kiele sind meist fünf- bis sechseckig und erwecken den Eindruck einer Schlangenhaut. Die Fläche zwischen den Zellwänden ist, je nach Farbe der Kanarien, heller als die deutlich dunkleren Zellwände. Je nach Größe des Kieldurchmessers bilden mehr oder weniger viele Zellen in etwa gleicher Größe den Kiel.
Die Querschnitte aller Kiele – auch die der Opal-Vögel – weisen alle die gleichen Merkmale auf. Den größeren Teil machen die hornfarbigen Markzellen aus. Die Rinde der Ober- und Unterseite sind deutlich dicker ausgebildet, als die Seiten. In der Rinde lassen sich im Querschnitt keine oder nur vereinzelt und dann geringe Strukturen feststellen. Deutlich ist jedoch doch die Farbe des Melanins feststellbar (Abb. 15; vergl. auch Abb. 6 bis 11).
Federäste und Federstrahlen
Die Haken- und Bogenstrahlen des Großgefieders zeigen bei melaninhaltigen Vögeln eine unterschiedlich kräftige, aber immer deutlich sichtbare, Melaninfärbung, die naturgemäß bei den Aufgehellten fehlt. Eine Lipochromfärbung konnte in keinem Fall festgestellt werden (Abb. 16).
Bei schlechten Vertretern der Schwarz- und Achatvögel mischt sich braunes (Phaeo)Melanin in einzelnen Federästen bei. Dieser nicht erwünschte Braunanteil ist meist im Flächenmelanin sichtbar und hat eine rötlich-braune Tönung. Ob es sich tatsächlich um Phaeomelanin handelt konnte ich mit meinen Methoden nicht feststellen.
In Basisnähe haben die Federäste relativ viel Melanin eingelagert. Zu den Astspitzen (Federaußenseite) hin nimmt die Konzentration des Melanins ab und das Lipochrom zu. Eine Ansammlung von Melaninen an der Astspitze konnte in keinem Fall – auch nicht beim Girlitz – festgestellt werden.
Lipochrome werden nur in den Rindenzellen der Federäste eingelagert. Das gilt sowohl für Aufgehellte als auch für Melaninkanarien (Abb. 17).
Die Federstrahlen der lipochromhaltigen Federäste haben bestenfalls nur an der Basis Lipochrome eingelagert. Zur Färbung der Feder sind die Federstrahlen deshalb nur in geringem Umfang beteiligt.
Der Sonderfall Opal
Bei klassischen Melaninkanarien sind die Rindenzellen der Federoberseite kräftiger gefärbt als die Rindenzellen der Federunterseite.
Im Gegensatz dazu finden sich in den melaninhaltigen Federteilen der Opalvögel große punktförmige Melaninansammlungen. Ob es sich dabei um Makromelanosome (Melanosom = Pigmentkörnchen) oder um eine Konzentration vieler kleiner Melanosome handelt, kann lichtmikroskopisch nicht festgestellt werden.
Diese „Melaninballungen“ finden sich vor allem in der Rinde der Federunterseiten und nur wenige in der Rinde der Federoberseite. Die Räume zwischen den Melaninballungen sind nur schwach oder gar nicht mit Melanin gefärbt.
Eine Änderung des Federbaues (Federstruktur), also der Federzellen, konnte ich nicht feststellen.
Im Zuge meiner züchterischen Versuche erzielte ich auch Satinet-Opal-Vögel. Diese weisen visuell im Phänotyp keinerlei Melanine auf (auch nicht im Untergefieder), haben hellrote Augen und gleichen demnach „Inos“. Dennoch fand ich in den Federn dieser Vögel ähnliche Melaninballungen wie bei den Schwarz- und Achat-Opal-Vögeln. Die Anzahl dieser Melaninansammlungen ist allerdings wesentlich
geringer und sie haben eine hellbraune Färbung (Abb. 18).
Die untersuchten Federn der Onyx-Kanarien zeigten ebenfalls Melaninballungen. Jedoch sind diese wesentlich kleiner als die der Opal-Vögel und sowohl in der Rinde der Federoberseite als auch in der Rinde der Federunterseite zu finden. Zwischen diesen Melaninkonzentrationen sind Melanine flächig eingelagert, wie es auch bei den klassischen Melaninkanarien zu sehen ist.
Allgemein gültige Erkenntnisse der Untersuchungen
- Lipochromfärbung tritt verstärkt in den Rindenzellen auf. In einigen Federteilen treten sie gemeinsam mit Melaninen auf.
- Melaninfärbung konnte grundsätzlich nur in den Rindenzellen der Kiele und Äste festgestellt werden. Die Markzellen der Federkiele und -äste haben eine hornfarbene Färbung und weisen keine Lipochromfärbung auf.
- Melaninpigmentkörner sind visuell und lichtmikroskopisch nicht erkennbar. Demzufolge ist eine Unterscheidung von länglichen Eumelaninkörnchen und/oder runden Phaeomelaninkörnchen nicht möglich. Man kann jedoch an Hand der sichtbaren Färbung Rückschlüsse ziehen, ob es sich um schwarzes oder braunes Melanin handelt.
- Vorhandene Melaninmengen lassen sich nicht bestimmen. Bestenfalls lässt sich die Farbtiefe – schwarz oder grau, braun oder hellbraun … – bestimmen.
- Bei Opal- und Onyx-Vögeln sind relativ große Melaninballungen deutlich sichtbar. Diese Ballungen finden sich bei Opalvögeln verstärkt auf der Federunterseite. Eine Änderung des Federaufbaues (Bau der Federzellen) konnte nicht festgestellt werden.
Schlussfolgerungen
- In der ornithologischen Literatur wird das Zusammenspiel von melaninhaltigen Markzellen und lipochromhaltigen Rindenzellen zur Erzeugung verschiedener Farben erwähnt.[2] Als markantes Beispiel wird sehr häufig die Entstehung der verschiedenen Farben beim Wellensittich (Melopsittacus undulatus) angeführt. Danach sollen melaninhaltige (schwarze) Markzellen und gelb gefärbte Rindenzellen das Grün des Wellensittichs erzeugen. Je nach Wegfall der einen und/oder anderen Farbkomponente in Mark und/oder Rinde sollen blaue, gelbe und weiße Wellensittichfarben entstehen.
Offensichtlich hat noch nie jemand diese Aussage nachgeprüft, sonst wäre recht schnell erkannt worden, dass es in keiner Feder melaninhaltige Markzellen gibt. Ich habe eine ganze Reihe von Federn der verschiedenen Vögel mittels Lichtmikroskop untersucht und niemals melaninhaltige Markzellen in den Federn finden können – auch nicht beim Wellensittich!
- Da die Melaninart weder visuell noch mittels Lichtmikroskop feststellbar ist, ist es aus meiner Sicht nicht exakt von Eu- und Phaeomelanin zu sprechen. Wir sollten ganz allgemein von schwarzem, braunem, rotbraunem … Melanin sprechen.
- Die Ursache für unsere Vögel mit „verdünntem” Melanin – Achat und Isabell – kann sehr verschieden sein. Zum einen kann die Anzahl (Dichte) der Melaninkörnchen reduziert sein – was aber lichtmikroskopisch nicht feststellbar ist – zum anderen kann die Tönung der Melaninkörnchen aufgehellt sein (anthrazit, grau, hellbraun …).
- Im Zusammenhang mit Opal-Vögeln sollte nicht von einer „Strukturfarbe“ gesprochen werden, da eine Strukturänderung (Änderung des Federaufbaues) nicht festgestellt wurde.
Optisch betrachtet bewirkt die Melaninkonzentration – mit den dazwischen liegenden melaninfreien Bereichen – das Gleiche, wie eine gleichmäßige Verteilung einer geringeren Anzahl „normaler“ Melaninkörnchen – nämlich eine Melaninaufhellung. Schwarzes Melanin wird zu Grau, graues Melanin zu Hellgrau, braunes Melanin zu Hellbraun „verdünnt“.
Die melaninarm gewordenen Federzellen der Federoberseite liegen somit auf einem dunklen Untergrund und reflektieren so einen erhöhten Anteil blauen Lichtes (ähnlich wie bei einem Spiegel oder einer Wasseroberfläche). Daraus resultiert der blaue Schimmer grauer bis hellgrauer Melanine auf der Federoberseite. Mit dem oft in diesem Zusammenhang verwendeten „Tyndall-Effekt“ bei Opal-Kanarien hat das nichts zu tun. Dieser Effekt der Lichtstreuung entsteht in kollioden Lösungen, also Lösungen feinster verteilter Teilchen in einem ansonsten farblosen Medium. Wir kennen das z. B. als Sonnenstrahlen oder Scheinwerferkegel im Nebel.
Es ist für mich sehr überraschend, dass bisher noch keine mikroskopischen Bilder über die Färbung der Kanarienfedern veröffentlicht wurden, obwohl bereits mit ähnlich primitiven Mitteln wie ich sie anwendete, einige Aussagen zu treffen sind. Ich kann nur hoffen, dass ich mit dieser Veröffentlichung einen Stein ins Rollen bringe und andere Zuchtfreunde oder gar Wissenschaftler sich dieser Thematik zuwenden.
Literatur
[1] Onsman, I.: In Quest of Events Leading to Pigmentary Disorders in Several Mutants of the Budgerigar (Melopsittacus undulates); a Light- and Electronmicroscopical Survey. MUTAVI Research & Advies Groep.
[2] Frank, F.: Die Färbung der Vogelfeder durch Pigment und Struktur. In: Journal für Ornithologie, Heft 3, 1939.